Sommerakademie 2024 – Save the date!

Lust auf einen Tapetenwechsel? Lust auf den Bodensee? Die Weingartener Sommerakademie widmet sich diesmal in Vorträgen und Exkursionen dem Thema: „Nur ein Dach über dem Kopf? Wohnen gestern, heute und morgen." Sichern Sie sich Ihren Platz!

Von Johannes Kuber

„Ältere Menschen leben oft allein auf vier Zimmern oder gar in Einfamilienhäusern. Das verknappt den Markt für junge Familien und ist schlecht für die Umwelt. Höchste Zeit für ein paar Umzüge“ – so kündigte die Süddeutsche Zeitung unlängst auf X (vormals Twitter) einen Artikel an, nicht ohne sofort auf empörten Widerspruch zu stoßen. Wohnen ist politisch, das verdeutlicht dieses Beispiel. Als menschliches Grundbedürfnis steht es im Zentrum verschiedener gesellschaftlicher Debatten, von wohnungspolitischen Interventionen angesichts steigender Mieten, Immobilienspekulation und Wohnraummangel über Obdachlosigkeit, Migration oder Gentrifizierung bis hin zur Frage nach alternativen, etwa gemeinschaftlichen, Wohnformen. Home Office und Smart Homes verändern, wie wir leben, während Fragen der Wohnautonomie im Alter sowie der sozialen Chancengerechtigkeit – gerade während der Corona-Pandemie – an Bedeutung gewonnen haben. Die Wohnbaubranche steckt tief in der Krise. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit nachhaltigen Bauens und Wohnens immer dringlicher, um den Herausforderungen des Klimawandels und der Ressourcenknappheit gerecht zu werden. Die Frage nach den Möglichkeiten des Wohnens betrifft bei weitem nicht nur die individuelle Lebensqualität, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft, sozialen Zusammenhalt und politische Stabilität.

Wie Menschen wohnen wollen, können oder müssen, war in der Geschichte vielen Änderungen unterworfen. Dabei spielten politische und soziale Rahmenbedingungen, individuelle Bedürfnisse, persönlicher Geschmack und gesellschaftliche Moden sowie architektonische und technische Neuerungen ineinander. Schon in der Antike dienten Wohnhäuser auch zur symbolischen Kommunikation von sozialem Status und Macht. Im „Ganzen Haus“ mittelalterlicher Bauern und Handwerker wohnten und arbeiteten Kernfamilie und Gesinde oft unter einem Dach. Nach und nach setzte sich eine größere räumliche Differenzierung durch, es entstanden Zimmer mit unterschiedlichen Funktionen.

Die Wohnphilosophie des Bürgertums

Industrialisierung und Urbanisierung veränderten radikal, wie Menschen lebten und arbeiteten. Die Massenproduktion von Baumaterialien und die Einführung neuer Bau- und Wohnkonzepte ermöglichten den Aufstieg von Wohnblocks und Mietskasernen in städtischen Gebieten, in denen Arbeiterfamilien oft in engen, dunklen, krankmachenden Wohnungen lebten. Gleichzeitig entstand in der bürgerlichen Gesellschaft das Ideal der Privatsphäre. Die Wohnphilosophie des Bürgertums spiegelte sich auch in der Einrichtung wider, die sich im Lauf der Zeit vom Biedermeier-Stil zu modernen, funktionalen Formen wandelte. Im 20. Jahrhundert prägten technologische Innovationen wie Elektrizität, Sanitärtechnik und Heizungssysteme die Entwicklung des Wohnens. Die Architektur wurde von Bewegungen wie dem Bauhaus beeinflusst, die Funktionalität und Ästhetik miteinander verbanden.

„Hausen, wohnen, residieren“ – so fasst ein wissenschaftliches Handbuch die Bandbreite menschlicher Lebensformen zusammen. Zu allen Zeiten waren die Formen des Wohnens – von der Siedlungsstruktur oder Stadtplanung über die Architektur bis zur Inneneinrichtung – eng mit sozialen und politischen Fragen verwoben. So übernahmen etwa die Mittel- und Unterschichten nach und nach Wohnformen, die davor den Oberschichten vorbehalten gewesen waren.

Wie werden wir morgen wohnen?

Manche Fragen bleiben gleich, manche Probleme stellen sich neu. Was erzählen Häuser über die Menschen, die in ihnen leben? Wie wirkt sich unsere Umgebung auf unser psychisches und physisches Wohlbefinden aus? Wie beeinflussen gesellschaftliche Leitbilder unsere eigenen Wohngewohnheiten, inwiefern stehen wir immer noch unter dem Einfluss bürgerlicher Wohnideale des 19. Jahrhunderts? Wie sind Klasse und Geschlecht mit der Wohnfrage verbunden, wie manifestieren sich Machtstrukturen in unseren Wohnräumen und -praktiken? Welche Wohnformen passen zu einer demografisch veränderten Gesellschaft, wie wohnt man gut im Alter? Wie können wir angesichts der Klimakrise nachhaltiger bauen und wohnen? Ist das Einfamilienhaus ein Auslaufmodell? Wie werden wir in Zukunft wohnen? Wie wollen wir leben?

Solchen und ähnlichen Fragen nähert sich die Sommerakademie „Nur ein Dach über dem Kopf? Wohnen gestern, heute und morgen“, die von 3. bis 7. August 2024 wieder im barocken Ambiente des ehemaligen Benediktinerklosters im oberschwäbischen Weingarten stattfindet. Freuen Sie sich auf abwechslungsreiche Vorträge und Gespräche mit Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen. Aufgelockert wird das anspruchsvolle Bildungs- und Kulturprogramm in sommerlich leichter Form durch zwei ganztägige Exkursionen im Bodenseeraum.

Das endgültige Programm veröffentlichen wir im Lauf des Frühjahrs. Wenn Sie sich schon jetzt einen Platz sichern wollen, schreiben Sie uns gern eine Mail an geschichte@akademie-rs.de.

Lust auf einen Tapetenwechsel? Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!

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