Kirche und Gesellschaft
Freiheit von | für | mit Religion?
Grundsätzliche Überlegungen zu einer Balance zwischen Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften
Die kontroversen Debatten um Kruzifixe in Klassenräumen, Kopftuchverbot oder Beschneidung, die in erstaunlicher Breite in den Medien und der Zivilgesellschaft geführt wurden, zeigen eine Gesellschaft, die die Anliegen von Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht mehr nachvollziehen kann oder will. Sie zeigen aber auch Kirchen und religiöse Gemeinschaften, die offensichtlich nicht nur ihre religiösen Riten und Traditionen schwer vermitteln können, sondern deren gesellschaftlicher Nutzen insgesamt in Frage gestellt wird.
Verena Wodtke-Werner im Gespräch mit den Professoren Wolfgang Huber und Peter Sloterdijk
Der Verfassungsrechtler Wolfgang Böckenförde formulierte den berühmten Satz, dass der Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren könne, und meinte in seiner Zeit das Erbe der christlichen Religion, das aus diesem Grund zu schützen sei.
Genau dies wird aber heute als überholte Privilegierung der Kirchen in Frage gestellt oder von den anderen Religionsgemeinschaften ebenfalls eingefordert. Während die einen also für eine stärkere staatliche Gleichbehandlung der plural gewordenen religiösen Landschaft plädieren, fordern die anderen eine weitergehende oder sogar strikte Trennung von Staat und Kirche bzw. Staat und Religion.
Wird eine solche, in der Konsequenz privatisierte, Sichtweise der Bedeutung von Glaube und Religion für das Zusammenleben einer Gesellschaft und den kulturellen, sozialen und integrativen Leistungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften gerecht? Und sind sich im Umkehrschluss die Kirchen und die Religionsgemeinschaften selber ihrer Bedeutung und Verantwortung bewusst und werden sie ihr auch gerecht? Diesen Fragen gehen wir nach.
Veranstaltungen des Fachbereichs Theologie - Kirche - Gesellschaft
Wirksame Wegmarken
Die sorgfältig formulierten Überlegungen der Synodalen müssen jedoch in jeder Ortskirche einem Praxistest unterzogen werden. Deshalb werden nicht nur Fachleute den Extrakt des Synodalen Weges vorstellen, sondern auch Praktiker:innen kritisch auf diese Analysen und Vorhaben schauen. Dabei hat die Erfahrung der Haupt- und Ehrenamtlichen ihre Bewertungsgrundlage im Kontext unseres Rottenburger Modells: Was ist schon hier und heute Realität? Was kann und muss morgen oder übermorgen umgesetzt und in den Blick genommen werden? Was lässt sich nur auf globaler weltkirchlicher Ebene lösen, muss aber hier und heute benannt, bearbeitet, verfolgt werden?
Die Tagung möchte nach vorne blicken und die Ergebnisse des Synodalen Weges vor dem Schicksal der Würzburger Synode bewahren, von welcher viele gute Ideen bis heute in den Schubladen Roms liegen. Der Blick in die Zukunft, den wir mit den Men-schen in der eigenen Diözese wagen, kann bereichert werden durch externe Fachleute, wie sie als Referent:innen bei der Tagung mitwirken. Besonders Prof. Tomáš Halík hat sich seit Beginn des Synodalen Weges in Deutschland immer wieder zu diesem Vorhaben geäußert und wird uns als Soziologe, Theologe und Priester über zwei Tage einen fachkundigen und kritischen Außenblick geben.
Der Nachmittag des Christentums
Genau das sei der Nachmittag, der sich in der Gegenwart ankündige: Das zukünftige Christentum, das von jedem Machtanspruch und jeder klerikalen Engherzigkeit befreit ist; in dem ein lernender Glaube mit den Suchenden gelebt wird. "Holen wir unseren Glauben an die Gottheit Jesu zurück aus den dogmatischen Definitionen, deren Sprache für viele unserer Zeitgenossen unverständlich ist, zurück zu der Orthopraxis unserer solidarischen Offenheit für die Theophanie (Offenbarung Gottes) im Leid der Menschen in der Welt."
Halíks Zeitansage ist treffend in der Kritik und gleichzeitig voller Hoffnung für eine Wende im Christentum von der Religion zur Spiritualität. Um diese Wende geht es bei unserem Abendgespräch. Und wie bereiten wir als Christ:innen diesen "Nachmittag" vor? Wie können wir ihm Nachdruck verleihen? Anders als im Tageslauf kommt er ja wohl nicht von allein.
Den Frieden gewinnen!
Politisch-Philosophischer Salon Uschi Strautmann
Uschi Strautmann wurde 2007 Leiterin der Fernsehabteilung Baden-Württemberg des SWR. Aktuell leitet sie die Abteilung multimediale Landespolitik. Diese liefert alle landespolitischen Beiträge für Hörfunk, Fernsehen und Internet im SWR und produziert das landespolitische Magazin "Zur Sache BW". Erfahrung mit Informationssendungen im SWR, im ARD-Hauptstadtstudio und im SDR hat Strautmann schon viel länger. Auch war sie ARD-Korrespondentin in Buenos Aires und in Kairo.
Erinnern im Anthropozän
Die Studienwoche mit Expert:innen und Aktivist:innen aus Lateinamerika und Afrika richtet vor diesem Hintergrund einen theologischen und interdisziplinären Blick auf zwei aktuelle Brennpunkte post- und dekolonialer Auseinandersetzungen : Wie transformieren postkoloniale Perspektiven unsere nationalen und transnationalen Erinnerungskulturen? Wie sind wir aktuell in neokoloniale Ausbeutungsverhältnisse, wie sie in extraktivistischen Projekten zutage treten, verstrickt?