Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Das Gesprächsforum Synodaler Weg müht sich redlich. Doch die Blicke richten sich nach Köln. Dort wird die Geschichte von Saulus und Paulus lebendig, findet Verena Wodtke-Werner.

Mit der Überschrift ALLES BLEIBT ANDERS! haben wir in diesem Jahr unseren neuen Politisch-Philosophischen Salon betitelt, der Ihnen im vorangegangenen Newsletter vorgestellt wurde.

Diese Überschrift drückt ja beides aus; nichts kann oder darf so bleiben, wie es war, weil man die Fehler schon lange kennt, aber wir sind auch verhalten optimistisch bis skeptisch, ob sich etwas ändert, weil der Mensch ein träges Tier ist und gern in alte Muster zurückfällt. Neues ist anstrengend und verunsichert. Also lieber weiter so wursteln? In unserem Politisch-Philosophischen Salon beziehen wir dies auf Umstände, ja Missstände etwa im Bereich von Nachhaltigkeit, der internationalen Gerechtigkeit, der Menschenrechte usw. Politik muss – oder meint immer – tausend Kompromisse machen zu müssen, weil sie besorgt ist, sich international zu isolieren, der Wirtschaft zu schaden. Wir kennen die Argumentationsfiguren.

ALLES BLEIBT ANDERS! ist auch etwas, was wir gerade in unserer katholischen Kirche so fürchten. Einige wenige fürchten die Veränderung, viele andere die Stagnation. In den zurück liegenden Wochen gab es viele Konferenzen und in den nächsten Wochen werden weitere Gespräche folgen, die sich mit dem Synodalen Weg und seinen Foren befassen. In den Foren sitzen erstmalig sogenannte weibliche und männliche Laien (die oft mindestens so erfolgreich Theologie studiert haben wie die amtlichen Würdenträger) mit den Bischöfen zusammen. Es soll so aussehen, als ob sie auf Augenhöhe einen Weg zusammengehen.

Wer sich dann den Ausführungen eines Kirchenrechtlers anvertraut, weiß schnell, dass rechtlich kaum Land zu gewinnen ist; aber sicher moralisch. Denn viele Bischöfe haben begriffen oder sind selbst der Meinung, dass es nicht fünf vor zwölf ist, sondern schon fünf nach zwölf. Wie lange werden unsere weniger verqueren Querdenker durchhalten? Sie sehen allerdings nicht die Demokratie in Gefahr, dazu müsste sie in der katholischen Kirche erstmal umgesetzt werden. In Köln, so berichtete bei einer Akademie-Veranstaltung jüngst eine Pastoralreferentin, treten nun die bis dato eifrigsten Katholikinnen und Katholiken aus. Sie befürchten offenbar, dass alles so bleibt wie es ist. Es gab in den letzten 50 Jahren mehr Rückschritte als Fortschritte.

Wir haben die Fastenzeit begonnen und da spielt bekanntlich die Umkehr, die Reue, die Buße eine große Rolle. In den nächsten Tagen werde ich mit Pater Klaus Mertes wieder ein Wandergespräch zum Thema wahre Umkehr machen und dabei an die Wandlung vom Saulus zum Paulus denken. Es lohnt sich, auch aus „kölsch“-aktuellem Anlass, die Apostelgeschichte Kapitel 9 nochmal zu lesen. Eine wirkliche Veränderung von Glaubenseiferern passiert wohl erst, wenn man tief fällt, lange im Dunkeln tappt und erst nach Tagen begreift, was man tat, wo und wie der rechte Weg aussieht. Für Saulus war dies eine verheerende, schmerzhafte, ja zerstörende Erfahrung, die er durchleben musste, in der ihm Jesus selbst erschien und begreiflich machte, dass er nicht Menschen, sondern ihn selbst verfolgt, den Ursprung der Christenbewegung.

Es ist noch weit, bis manche Würdenträger in der Kirche bereit sind, von ihrem Pferd abzusteigen, manche werden vielleicht hinabfallen. Aber werden sie nach drei Tagen und drei Nächten in der Finsternis des Augenlichts oder ihrer selbst auch endlich zum Sehen und zur Erkenntnis gelangen? Umkehr ist also weit mehr als ein Lippenbekenntnis, weit mehr, als einen Fehler einzugestehen. Sie ist ein schmerzhafter Prozess, eine Kehrtwende des Ichs und all dessen, was ich bis dato in vielen Fällen für wahr und richtig hielt. Es gibt wohl keine Alternative als vom Saulus zum Paulus zu werden.

Elias Canetti kommt mir wieder in den Sinn, der unter der Überschrift „Loslassen“ folgendes notiert hat:

Die Erkenntnis, dass man keine Macht über einen Menschen mehr hat, kann einen glücklich machen. Je intensiver man ihn beherrscht hat, umso größer wird dieses Glücksgefühl. Freiheit, so kommt es mir immer mehr vor, ist eine Freiheit lozulassen, ein Aufgeben von Macht.

 

 

 

Der Kölner Dom erstrahlt in der Nacht. Für viele Katholiken hat er aber an Strahlkraft verloren. Sie treten in Scharen aus der Kirche aus.