„Wir sind die Wespen im Regenwald“

Die Menschenrechtsaktivistin Patricia Gualinga hat im Tagungshaus Weingarten über den Kampf ihrer indigenen Gemeinschaft Sarayaku für den Erhalt des Regenwaldes berichtet.

Es ist nur ein kleines Volk, von dem Patricia Gualinga im Tagungshaus in Weingarten berichtete: etwa 1400 Menschen umfasst die indigene Gemeinschaft Sarayaku im südlichen Amazonasgebiet von Ecuador. Doch sein Kampf, an dessen Spitze die Frau mit der traditionellen Gesichtsbemalung steht, hat die Gemeinschaft in der ganzen Welt bekannt gemacht. Denn sie bietet den internationalen Unternehmen, die die Bodenschätze des Regenwaldes, Erdöl und Goldminen, ausbeuten wollen, die Stirn, weil sie damit die Lebensgrundlage der Sarayaku zerstören würden.

Die Surayaku leben im Regenwald im Einklang mit der Natur

Es ist aber mehr als ein Kampf gegen internationale Konzerne. „Wir kämpfen um unser, um euer Überleben und das der ganzen Welt“ sagt die kleine Frau mit den glänzend-schwarzen, hüftlangen Haaren. Es geht den Sarayaku auch um das Leben im Einklang mit der Natur. Im Regenwald, so schildert Gualinga den interessierten Gästen im vollbesetzten großen Saal des Tagungshauses, existieren Menschen, Tiere und Pflanzen im Einklang miteinander. Die Sarayaku leben vom Fischfang, sie jagen  und ernten die vielfältigen Früchte der Bäume und des Bodens. „Die Unternehmen wollen im nationalen Interesse die Bodenschätze ausbeuten, dieses Leiden der indigenen Völker gibt es auf der ganzen Welt“, sagt Patricia Gualinga, die nicht nur ein Handels- und Verwaltungsbachelor gemacht hat, sondern auch Kommunikation studiert und ein Diplom in Umweltmanagement in der Tasche hat.

1992 wurde ihrer Gemeinschaft das Gebiet zugewiesen, auf dem sie noch heute leben. Mit dem Eigentumstitel glaubten sie sich damals am Ziel, doch die ecuadorianische Regierung erlaubte einem argentinischen Unternehmen, in diesem Gebiet Erdöl zu fördern. Dagegen leistete das kleine Volk mit Patricia Gualinga an der Spitze Widerstand, „weil diese Entscheidung den Willen unseres Volkes nicht berücksichtigt hatte und das für uns die Gefahr des Genozids bedeutet hätte“. Wie „ein Stein im Schuh“, seien sie fortan gewesen, beschreibt Patricia Gualinga den politischen Kampf für ihre traditionelle Lebensweise. Gegen Verleumdungen des Staates wehrte sich Sarayaku mit moderner Kommunikation: Eine Homepage im Internet wurde gestaltet, sie vernetzten sich mit Menschenrechtsorganisationen und zogen schließlich vor den internationalen Gerichtshof mit einer Klage gegen die staatlichen Menschenrechtsverletzungen.

Wichtiger Sieg vor dem Internationalen Gerichtshof

Dieser Kampf war gefährlich, denn fortan galten die Sarayaku als Rebellen, als ein Symbol für den Widerstand indigener Völker. Patricia Gualinga selber wurde mit dem Tode bedroht; amnesty international, Amazon Watch und andere Organisationen starteten deshalb eine internationale Schutz-Kampagne für sie. Ihr Mut hat sich ausgezahlt, ihr Kampf war erfolgreich. Der internationale Gerichtshof hat zu Gunsten der Sarayaku  entschieden. „Er hat eine neue Rechtsprechung kreiert“, berichtet die lebhaft Erzählende stolz. „Die Unternehmen sind nun verpflichtet, das Einverständnis der indigenen Bewohner zur Ausbeutung der Bodenschätze einzuholen“.

Natürlich hat Patricia Gualinga für das Schicksal ihres eigenen Volkes gekämpft. Aber es geht ihr um mehr: Sie kämpft für den lebenden Urwald als ein Ökosystem, das Menschen, Tiere und Pflanzen im Gleichgewicht hält und sich immer wieder erneuert. Der Wald lebe vom Wissen der indigenen Völker, das es nicht nur in Südamerika, sondern auch in Afrika und anderen Teilen der Welt gebe. Dieses Wissen um die Natur sei akut gefährdet, weil in der westlichen Welt „nur in Geldkategorien gedacht wird“. Gualinga stellt klar: „Wir sind nicht arm, wir haben keinen Stress und leben in Würde.“  Ihre Vision: „Das Wissen der indigenen Völker muss geschützt werden“. Sie nennt ein Beispiel: „Wer soll denn für sauberes Wasser sprechen, wenn nicht wir. Wir sind Teil der Natur“.

Der Westen lebt zerstörerisch

Diesen sehr grundsätzlichen Kampf führt Patricia Gualinga auch mit anderen Frauen aus dem Amazonasgebiet. 2013 sind hundert Frauen zum Präsidenten marschiert. „Wir sind für den Staat und die Unternehmen wie Wespen gewesen, die gestochen haben“,  beschreibt sie in ihrer bilderreichen Sprache den Kampf, für den sie den globalen Norden der Welt sensibilisieren will. „Der lebendige Wald versucht das Tiefgründige der Schöpfung zu erklären“, sagt sie. „Das sind Lebewesen, die die Welt erneuern können.“ Ihre eigene Rolle sieht sie so: „Wir machen Druck, damit Sie ihr Leben hinterfragen.“ Denn nicht nur die Indigenen bräuchten Hilfe, sondern auch hierzulande ist ein Bewusstseinswandel notwendig. Der Westen kann nicht so weiterleben wie bisher, weil er zerstörerisch lebt.“ Gualingas Forderung ist klar: „Werden Sie Wespen im globalen Norden.“ (Barbara Thurner-Fromm)

 

Thomas Brandl im Gespräch mit Patricia Gualinga

Patricia Gualinga hat in Weingarten über den Kampf ihres Volkes berichtet.

Fröhliche Gesichter im Publikum beim Vortrag von Patricia Gualinga

Der Vortrag von Patricia Gualinga ist in Weingarten auf großes Interesse gestoßen.

Patricia Gualinga (Mitte) mit den Moderatoren des Abends: Professor Gregor Lang-Wojtasik, PH Weingarten, und Dr. Heike Wagner, Fachbereichsleiterin der Akademie.