Was ist wahre Liebe?
Frauen sind einmal mehr die Verliererinnen im Nachsynodalen Schreiben des Papstes. Anmerkungen zu „Querida Amazonia“ (Geliebtes Amazonien) von Dr. Verena Wodtke-Werner.
Was ist wahre Liebe – diese Frage stellen wir uns am 14. Februar zumeist in jungverliebtem Zustand und zwischendurch immer mal wieder im Leben, wenn sie im Zweifel steht! So auch heute.
Der Brief aus Rom, eine lehramtliche Reflexion des Papstes, eine sogenannte Exhortation, will die Synode weder ersetzen, noch wiederholen, sondern „nur“, aber gewichtig reflektieren.
Und das Ergebnis ist, wie so häufig bei Franziskus, schillernd in alle Richtungen.
Den anderen als anderen anerkennen
Anknüpfend an die großartige Enzyklika „Laudato Si“ gelingt es ihm auch hier, präzise, bildstark und genau die soziale, kulturelle und ökologische Dimension in ihrer Verschränkung schmerzhaft und fordernd für uns in der Kirche, ja für alle deutlich zu machen. Das Papier ist auch in der Lage, etwas zur wahren Liebe zu sagen: „Es geht darum, den anderen als „anderen“ anzuerkennen und mit seinem Empfinden, mit seinen ganz persönlichen Entscheidungen und seiner Lebens- und Arbeitsweise wertzuschätzen. Andernfalls wird das Ergebnis wie immer ein Plan einiger für einige wenige sein... ein oberflächlicher[n] Friede[n] für eine glückliche Minderheit!“ (27) Vielmehr gehe es, so Franziskus, „doch darum, zu erziehen ohne zu entwurzeln; wachsen [zu] lassen, ohne Identität zu schwächen; fördern, ohne zu vereinnahmen“. (28)
All das können wir unterschreiben, wenn es um den postkolonialen Blick auf den Amazonas geht. Trotzdem schleicht sich das Gefühl ein, wenn man in Deutschland gerade auf dem synodalen Weg aufgebrochen ist, dass der Papst dies offenbar wohl nur für Amazonien gelten lässt. Der Papst betont, dass auch die Kirche in Amazonien „den Prozess der Inkulturation“ gehen muss, wenn sie nicht zum „Museumsstück“ (66) verkommen will. Wir müssen die Menschen „anhören“ und „verstehen“, „einbeziehen und barmherzig sein“. (84)
„Die Inkulturation muss sich auch auf konkret erfahrbare Weise in den kirchlichen Organisationsformen und in den kirchlichen Ämtern entwickeln und widerspiegeln“... und dafür braucht es „eine mutige Antwort der Kirche“. (85) Und nun stellt sich die Frage, ob hier den Papst der Mut verlassen hat, der sich ja dem Zwei-Drittel-Votum der Bischöfe auf der Amzonassynode gegenüber sah, den Zölibat, begrenzt auf Gebiete im Amazonas, zu lockern, damit die Gläubigen die Messe feiern können, die nach katholischer Lehre das Zentrum des Glaubens und des Heils darstellt. Enthalten wir den Gläubigen die Eucharistie vor, was in Amazonien de facto durch die Fläche passiert, so enthält die Kirche ihnen das Heilsmedium vor. Im Ergebnis konvertieren sie zu den evangelikalen Pfingstgemeinden, die mit Bolzenaro im Pakt, munter den Regenwald abholzen. Das wollte, meiner Erinnerung nach, der Papst genau verhindern.
Der Eucharistie kann nur ein Priester vorstehen
In sämtlichen Presseorganen war zu lesen, dass die Tür nunmehr geschlossen sei, weiter über den Zölibat und seine Notwendigkeit zu diskutieren. Wo steht das geschrieben? Franziskus schreibt: „Die Art und Weise der Gestaltung des Lebens und der Ausübung des Priesteramtes ist nicht monolithisch und nimmt an verschiedenen Orten der Erde unterschiedliche Ausformungen an. Deshalb ist es wichtig zu bestimmen, was dem Priester in besonderer Weise zukommt, was nicht delegierbar ist. Die Antwort liegt im heiligen Sakrament der Weihe begründet, das ihn Christus, dem Priester, gleichgestaltet“... und dass dieser „ausschließliche Charakter, der in den heiligen Weihen empfangen wird, ihn allein befähigt, der Eucharistie vorzustehen“. (87)
Soweit, so gut. Einer Eucharistie kann nur ein geweihter Priester vorstehen, der Christus gleichgestaltet ist. Was heißt aber dieses „gleichgestaltet sein“, worin besteht es? Genau darüber gibt es sehr viele dogmatisch kontroverse Diskussionen. Muss die Gleichgestaltung unbedingt im männlichen Geschlecht gegeben sein, lehramtlich nahezu mit JA entschieden, aber weder biblisch, noch dogmatisch-christologisch nicht logisch zu begründen.
Noch weniger gilt das für die Voraussetzungen zur Weihe? Franziskus schweigt auch in dieser Reflexion dazu, ob der Zugang zur Weihe an den Zölibat gekoppelt sein muss. Wir wissen, der Zölibat ist ein Kirchengesetz, von dem man suspendieren kann, wie es in der Weihe von zahleichen übertrittsfreudigen Männern der anglikanischen und protestantischen Kirche immer wieder geschieht sowie bei den mit Rom unierten Kirchen des Orients Praxis ist. Also ein missing link... Es muss erst noch ein Weg gefunden werden, so der Papst, die Eucharistie „zu gewährleisten“. Es braucht „eine mutige Antwort der Kirche“ (85) und es genügt nicht, „nur das Gebet um Priesterberufungen zu fördern, sondern auch großzügiger zu sein und diejenigen, die eine missionarische Berufung zeigen, dazu zu bewegen, sich für das Amazonasgebiet zu entscheiden.“ (90)
Papst warnt vor „Klerikalisierung“ der Frauen
Der Papst geht auf die vielen Möglichkeiten der Laien, Frauen wie Männer, ein, auch Leitungsaufgaben in den Gemeinden zu übernehmen, aber nicht der Eucharistie vorzustehen und nicht die Beichte abzunehmen (88); hier ist die klare Grenze. Diese harte Grenze findet sich nicht in der Zugangsvoraussetzung der Ehelosigkeit, sondern im Geschlecht. Der Papst will keine Frauen in Weiheämtern haben. (99 – 103) Hier hört das Verständnis von Franziskus auf, der einem eindeutig paternalistischen Frauenbild anhängt und der Ansicht ist, dass eine Weihe von Frauen (zu Diakoninnen) – dies wurde auf der Synode am Rande diskutiert – „eine Klerikalisierung der Frauen“ sei. Stattdessen passiert das, was die Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), Maria Flachsbarth, treffend „Loben statt Weihen“ nennt. Unsere Gleichgestaltung als Frauen besteht darin, Maria nachzuahmen, ihrer „Kraft und Zärtlichkeit“ zu folgen, das sei „die spezifische Macht“ der Frauen. (101)
Wir Frauen können alles in der Kirche machen, aber einem Zugang zum Weiheamt wird ohne jede überzeugende theologische Begründung wieder einmal der Riegel vorgeschoben. Wovor hat diese Männer-Kirche Angst? Was ist nun wahre Liebe: „Es geht darum, den anderen als „anderen“ anzuerkennen und mit seinem Empfinden, mit seinen ganz persönlichen Entscheidungen und seiner Lebens- und Arbeitsweise wertzuschätzen.“ Schade, dass Papst Franziskus diesen Gedanken nicht für uns Frauen gelten lassen kann.
Dr. Verena Wodtke-Werner
Originaltext des Nachsynodalen Schreibens des Papstes: Geliebtes Amazonien