Und immer bleibt Ungesagtes
Kann man bei einem Roman über Sterben und Sterbebegleitung lachen? Man kann, wie ein Literaturabend mit der Autorin Susann Pásztor im Tagungszentrum Hohenheim gezeigt hat.
„Ich möchte niemals ein Buch schreiben, an dem meine Seele nicht beteiligt ist.“ Das hat Susann Pásztor in einem Interview zu ihrem vorigen Roman gesagt. Auch in ihrem neuen Buch „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“, in dem es um ein nicht gerade einfaches Thema – das Sterben – geht und das am 16. Mai mit dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet wird, ist dieses Credo in jedem Kapitel spürbar. Davon überzeugen konnte sich am Montag ein angetanes Publikum im Tagungshaus Hohenheim.
Im Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Dr. Michael Krämer gab Susann Pásztor Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Romans. Zwar ist sie selbst ausgebildete Sterbebegleiterin; ihre allermeisten Figuren jedoch sind fiktional und entwickelten sich – so die Autorin – beim Schreiben in ihrem „Eigenleben“ weiter. Da ist zum einen Karla, die weiß, dass sie in absehbarer Zeit sterben wird; sie hat Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Karlas selbstbestimmte, klare und immer wieder auch kompromisslose Art sind Susann Pásztor nah, entsprächen ihrer eigenen Idealvorstellung in einer solchen Situation. Als Counterpart steht ihr Fred, ihr unbeholfener, introvertierter Sterbebegleiter gegenüber, dem sich in der Mitte des Lebens plötzlich die Sinnfrage stellt; der Sehnsucht nach einem Blick hinter die Dinge entwickelt und der im Laufe der Geschichte eine deutliche Entwicklung durchmacht. Phil, sein dreizehnjähriger sprachbegabter Sohn, dem es besser als seinem Vater gelingt, wirklichen Kontakt zu Karla aufzunehmen, komplettiert das fein gesponnene Dreieck.
Immer wieder ins Auge stechen die ausgefeilten Dialoge: „Höllenqualen“ und „Niederlagen in Serie über Tage“ seien zunächst nötig gewesen, um zu den Figuren passende Sätze zu finden, berichtet Frau Pásztor. Ein „Darling Friedhof“ auf ihrer Festplatte würde bis heute all diejenigen Aussprüche ihrer Figuren bewahren, die sie ihnen nur allzu gerne in den Mund gelegt hätte. Das besagte Eigenleben ihrer Protagonisten hätte ihr aber oft einen Strich durch die Rechnung gemacht: Gesträubt hätten sie sich, wenn es nicht gepasst hätte.
Und auch in anderer Hinsicht zeigt die Autorin großen Respekt vor ihren Figuren: So sind die Karla-Kapitel keine „Rollenprosa einer Sterbenden“, sondern reduziert auf einzelne Auflistungen. Immer werde es Ungesagtes geben, wenn der Tod dazwischen grätscht, konstatiert Pásztor. Doch Unerzähltes darf und soll sein.
Faszinierend an Pásztors Buch ist aber auch noch etwas anderes: „Susann Pásztor ist ein wahres Kunststück gelungen. Sie hat einen Roman über Sterbebegleitung geschrieben, der nicht traurig macht, sondern mit viel Humor Lust aufs Leben weckt.“ begründete die Jury des Evangelischen Buchpreises die Wahl. Auch in Hohenheim waren immer wieder laute Lacher zu hören, wenn Susann Pásztor mit ihrer schönen Vorlesestimme Passagen aus dem Buch vorlas.
(Stefanie Jebram)