Neuer Tagungsband online

Schon vor der Pandemie-Krise beschäftigte sich eine Akademie-Tagung mit Verschwörungstheorien in Geschichte und Gegenwart. Der Tagungsband gewinnt ungeahnte Aktualität.

„Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur.“ Mit diesen Worten begann vor mehr als zwei Jahren die Einladung zu einer Tagung des Fachbereichs Geschichte. Schon damals war absehbar, dass sich das Thema nicht so schnell erledigt haben würde. Dass eine globale Pandemie, die aus heiterem Himmel unsere private und gemeinsame Welt auf den Kopf stellt und mit einfachen Erklärungen nicht zu besiegen ist, nun viele Menschen dazu verleitet, sich auf simple Welterklärungsmodelle einzulassen, die die vermeintlich Schuldigen klar benennen: Das ist für alle, die sich schon länger mit Verschwörungsdenken beschäftigen, keine Überraschung – in seinem Ausmaß aber doch erschreckend.

Die Beiträge der Tagung von 2018 sind nun unter dem Titel „Von Hinterzimmern und geheimen Machenschaften“ in der frei zugänglichen Online-Zeitschrift der Akademie erschienen. Sie beschäftigen sich mit verschiedenen Verschwörungstheorien in Geschichte und Gegenwart – vom alten Rom bis ins 21. Jahrhundert. Denn auch wenn sie sich heute dank neuer Kommunikationstechnologien schneller als je zuvor verbreiten, versuchen Menschen schon seit Jahrhunderten, sich das Unbegreifbare und vermeintlich Böse als geheime Machenschaft fremdartiger oder allmächtiger Akteure zu erklären. Besonders in unsicheren Krisenzeiten blüht das Verschwörungsdenken regelmäßig auf. Das zeigen auch viele Beiträge im Tagungsband. Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Vorwurf der Hexerei in der Frühen Neuzeit, der Entstehung modernen Verschwörungsdenkens im Zusammenhang mit der Französischen Revolution, dem gezielten Einsatz von Verschwörungstheorien zu politischen Zwecken im 19. und 20. Jahrhundert und antisemitischen Verschwörungsmythen im deutschen Rap.

Anhand konkreter historischer und aktueller Beispiele wird dabei der Frage nachgegangen, welchem Wandel Verschwörungsdiskurse im Lauf der vergangenen Jahrhunderte unterlagen und inwieweit die Anwendung moderner Analysekonzepte auf Phänomene der Vergangenheit zu einem besseren Verständnis sowohl historischer als auch aktueller Verschwörungstheorien beitragen kann. Unter welchen Umständen waren diese Erzählungen erfolgreich? Auf welchen Wegen verbreiteten sie sich? Welche gesellschaftlichen Gruppen oder Einzelpersonen entwickelten Verschwörungstheorien, glaubten an sie oder bedienten sich ihrer? Mehrere Beiträge widmen sich auch der Frage, wie manche dieser Erzählungen bis heute fortleben und welchen Beitrag zum Beispiel der Geschichtsunterricht oder die außerschulische Bildungsarbeit zu einem kritischen Umgang mit den zum Teil demokratiefeindlichen Verschwörungstheorien leisten können.

Johannes Kuber/Michael Butter/Ute Caumanns/Bernd-Stefan Grewe/Johannes Großmann (Hgg.): Von Hinterzimmern und geheimen Machenschaften. Verschwörungstheorien in Geschichte und Gegenwart. (Im Dialog. Beiträge aus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 1/2020).

Video der Podiumsdiskussion:  Aus der Geschichte lernen? Zum richtigen Umgang mit Verschwörungstheorien