Klare ethische Leitplanken

Der Publizist Andreas Püttmann spricht in Hohenheim darüber, wie katholisch Deutschland ist. Und grenzt sich dabei deutlich gegen AfD und Kath.net ab.

„Ich löcke gerne antizyklisch gegen den Stachel“, bekennt Dr. Andreas Püttmann. Der Bonner Publizist hat ausgerechnet  im Lutherjahr 2017 ein Buch mit dem Titel geschrieben „Wie katholisch ist Deutschland“. Die evangelischen Medien hätten ihn komplett ignoriert, berichtet Püttmann bei einer Veranstaltung im Rahmen der „Nachgefragt“-Reihe im Tagungszentrum der Akademie in Stuttgart-Hohenheim. Auf katholischer Seite ist sein Buch vor allem aus politischen Gründen auf geteilte Resonanz gestoßen. Doch dazu später.

Püttmann, der Politikwissenschaft, Geschichte und Staatsrecht studiert hat und nach einem Stipendiat bei der Adenauer-Stiftung dort auch bis 2002 tätig war, hat für sein Buch vor allem Umfragen im Hinblick auf individuelle Lebensstile, soziales Klima und politische Kultur ausgewertet, die durchaus interessante Schlüsse über das Denk- und Wertegerüst von Katholiken, Protestanten und Konfessionslosen zulassen. Demnach erinnern sich Katholiken deutlich häufiger als Protestanten an kirchliche Stellungnahmen zur Zulässigkeit von Abtreibungen, Forschung an Embryonen und Sterbehilfe für unheilbar Kranke. Sie treten mehr dafür ein, Abtreibung (katholisch: 25 Prozent, protestantisch 20, konfessionslose 13 Prozent) und Sterbehilfe (18:12:10 Prozent) zu verbieten. „Die grundsätzliche Freigabe der Abtreibung findet keine katholische, wohl aber eine klare evangelische Mehrheit (46:62 Prozent)", so Püttmann. Andererseits: Die Todesstrafe für Schwerverbrecher befürworten 29 Prozent der Konfessionslosen, 25 Prozent der Protestanten und 20 Prozent der Katholiken. Püttmanns Fazit: „Es scheint, als hätten Katholiken ein eingebautes Lebensschutz-Gen, das auch gegenüber ihrem stärkeren Hang zu law and order dominant bleibt“.

Katholiken sind überzeugte Demokraten

Law and order geht laut Püttmann bei den Katholiken aber nicht bis zum Gesetzesrigorismus. Als Beispiel dafür nennt er das „Fringsen“, benannt nach dem früheren Kölner Erzbischof Frings, der in einer Predigt nach dem Kriegsende Mundraub für Menschen in Not ausdrücklich erlaubte. Klare Werte, aber pragmatischer Umgang damit könnte man das wohl nennen. Püttmann vermutet auch, dass Katholiken dank dieser inneren ethischen Leitplanken über ein besonders stabiles politisches Wertegerüst verfügen. Gefragt, ob die Demokratie die beste Staatsform sei, hätten sich mehr Katholiken als Protestanten und Konfessionslose dafür ausgesprochen (79:72:57 Prozent); sie halten auch die aktuelle Elite für weniger korrupt als die anderen beiden Gruppen (15:22:27 Prozent). Püttmsann schließt daraus, dass der Satz des evangelischen Sozialpsychologen Gerhard Schmidtchen noch immer gilt, „die Katholiken sind die eigentlichen Entdecker der Bundesrepublik als einer neuen politischen Heimat“.

Katholiken sind zwar erheblich rigoroser als Protestanten und Konfessionslose, was Fremdgehen in der Ehe angeht („auf keinen Fall“: 55:43:32 Prozent), sie zeigen aber einen „ausgeprägten Sozialkatholizismus“, der sich nicht nur im Umgang mit Schwachen erweist, etwa geringerer Feindseligkeit gegenüber Obachlosen, sondern auch in mehr Toleranz gegenüber Muslimen (55 Prozent der kirchennahen Katholiken sind für muslimischen Religionsunterricht, aber nur 27 Protestanten, 56 Prozent der Konfessionslosen sind gegen jeden Religionsunterricht). Seine demoskopischen Auswertungen führen Püttmann zu dem Ergebnis: „Es gibt guten Grund, sich als Katholik zuerst als Christ zu verstehen, dies aber auch selbstbewusst in der katholischen Variante zu sein“.

„Kath.net betreibt Kloaken-Katholizismus"

In der nachhakenden Diskussion zu den Zahlen ging es dann vor allem um zwei Themenbereiche: Zum einen um die Frage, wie die katholische Kirche nach dem deutschen Papst, der „Begnadigung“ der Piusbrüder, dem Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst und den Missbrauchsskandalen steht: Hier nahm Püttmann Benedikt XVI in Schutz vor allzu harscher Kritik und zeigte sich entsetzt darüber, dass der frühere Limburger Bischof, obwohl er schon früh der Lüge überführt worden war, sich so lange im Amt halten konnte. Für ihn zeigte sich darin „die Pathologie der Religion“.

Vor allem aber zog Püttmann einen klaren Trennungsstrich gegenüber der AfD und dem Online-Portal „kath.net“, für das er selber viele Jahre geschrieben hat, wie er zerknirscht einräumte. Die AFD sieht Püttmann vor allem als „Partei der Konfessionslosen“, den Anteil an kirchennahen Katholiken bezifferte er auf drei Prozent der Sympathisanten. Das sei ein „Geisterfahrermillieu“. Kath.net unterstütze diese „Rechtsausleger“: „Sie lügen, verleumden, gehen immer auf die Person und bleiben nicht bei der Sache und haben sich radikalisiert“, sagt Püttmann über die Plattform, und nennt das „Kloaken-Katholizismus.“

(Barbara Thurner-Fromm)

Der Publizist Andreas Püttmann sprach mit Akademie-Direktorin Verena Wodtke-Werner darüber, wie katholisch Deutschland ist.

Andreas Püttmann fragt in seinem Buch: Wie katholisch ist Deutschland und was hat es davon?