Inspirierende Spiritualität

Vor 700 Jahren ist das Münster in Heiligkreuztal geweiht worden. Wie die Zisterzienserinnen gelebt haben und was sich von ihrer Spiritualität erhalten hat, war nun Thema einer Tagung.

1319 ist das Münster des Zisterzienserinnen-Klosters Heiligkreuztal geweiht worden – 700 Jahre danach herrscht noch immer jede Menge Leben im Kloster – freilich ganz anders als zu Beginn. Heute ist das Klosterareal nicht mehr von Zisterzienserinnen bewohnt. 1972 hat die Stefanusgemeinschaft das ehemalige Kloster gekauft und das Geistliche Zentrum Kloster Heiligkreuztal entwickelt, das, wie es auf der Homepage heißt, „die geistliche Dimension der Zisterzienserinnen wachhalten möchte durch ein differenziertes Gottesdienstangebot, spirituelle Angebote, geistliche Impulse, Führungen und seelsorgerliche Gespräche“. Auf dem Anwesen befinden sich vier Gebäude mit insgesamt 90 Zimmern, 16 Tagungs- und Veranstaltungsräume, eine Cafeteria sowie eine Klostergaststätte mit Biergarten als kirchlicher Eigenwirtschaftsbetrieb der Tagungshäuser der Diözese. Außerdem ist es Ausbildungszentrum ständiger Diakone und beherbergt den K-Punkt Ländliche Entwicklung sowie den Wallfahrtsverein Fromme Josefs Vereinigung. Das 700-Jahr-Jubiläum der Münsterweihe war deshalb Anlass für eine wissenschaftliche Tagung, sich mit Kunst und Architektur des Klosters sowie den Lebensbedingungen, den Handlungsspielräumen und der Frömmigkeitspraxis der Zisterzienserinnen im Hochmittelalter zu befassen.

Kulturelles Erbe als wichtige Identifikation für Heimatgefühle

Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg,  betonte in seiner Ansprache, „die Verantwortung für unser kulturelles Erbe wird immer wichtiger“. Dies gelte nicht nur für den Kulturtourismus, sondern vor allem für die Ausbildung des Heimatgefühls. Monsignore Heinrich-Maria Burkard von der Stefanus-Gemeinschaft und Leiter des Geistlichen Zentrums Kloster Heilgkreuztal, sagte, das Kloster biete ein Dach für viele – es sei ein Wallfahrtsziel aber auch ein kultureller Punkt im ländlichen Raum. Die Vorsitzende des Geschichtsvereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Maria E. Gründig, erinnerte an die wechselvolle Geschichte des Klosters, das nach der Säkularisierung 1804 zum Aussterben verurteilt war, verfiel und erst nach dem Zweiten Weltkrieg Krieg von der Stefanus-Gemeinschaft wieder mit Leben erfüllt wurde. Die Leiterin des Fachbereichs Geschichte an der Akademie, Dr. Petra-Steymans-Kurz erläuterte, dass die interdisziplinäre Tagung auch das Manko beheben soll, dass es bisher nur sehr wenig wissenschaftliches Wissen über Heiligkreuztal gebe.

Der Kunsthistoriker Dr. Ulrich Knapp hat sich der Baugeschichte und Infrastruktur der Klosteranlage nicht nur über Quellen wie Rechnungen genähert, sondern beispielsweise auch mittels der Untersuchung von wiederverwendeten Hölzern beim Dachbau. Er legte dar, was romanischen und gotischen Ursprungs ist, was uns die Verwendung von Backstein oder Tuffsandstein sagt und zog dabei erläuternde Vergleiche zum Kloster in Konstanz, der Klosterkirche Baindt oder Salem. Auch auf die Bedeutung des Wassers für die Existenz des Klosters wies er hin. Quellfassungen waren für das Trinkwasser notwendig, ein Mühlenteich von Anfang an so angelegt, dass er auch die Latrinen spülte. Fischfang und Fischzucht sind ab Mitte des 16. Jahrhunderts dokumentiert; davor wurde in der Donau und kleinen Bächen gefischt und künstliche Fischgruben mit Fischen aus der Donau angelegt.

Klausur und Gebetsverpflichtungen kennzeichneten das Leben der Ordensfrauen

Mit dem Kreuzgang beschäftigte sich der Kunsthistoriker Dr. Olaf Siart vom Landesmuseum Württemberg. Die 1521 zur Äbtissin geweihte Veronika von Rietheim habe ihn neu aufmauern lassen. Er ähnle sehr den Männerklöstern, aber auch anderen Frauenklöstern und sei ein wichtiger Wegeort für die streng der Klausur verpflichteten Zisterzienserinnen gewesen. Vergitterte „Redefenster“ aber auch Durchgänge und Zugänge belegten freilich nicht nur die strenge Klausur, sondern auch trotzdem bestehende Kommunikationsmöglichkeiten. Derzeit wird der Kreuzgang erforscht und die Malereien aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts restauriert. Wie spannend, aber auch anspruchsvoll und schwierig diese Arbeit ist, davon konnten sich die TagungsteilnehmerInnen bei einem von den DenkmalpflegerInnen geführten Rundgang über das Gerüst ein eigenes Bild machen.

Die Historikerin Professor Maria Magdalena Rückert vom Staatsarchiv Ludwigsburg widmete sich der Frage, wie die Zisterzienserinnen gewirtschaftet und welche Handlungsspielräume sie dabei gehabt haben. Die Aufsicht über das Frauenkloster oblag dem Abt von Salem. Schon 1225 war festgelegt worden, dass der Konvent aus eignen Mitteln leben musste und keine Almosen annehmen durfte. Die Tatsache, dass die Ordensfrauen in ihrer Klausur für das Wohl der Menschen beteten, ließen sich allerdings wohlhabende und adelige Familien einiges kosten; sie machten Klosterstiftungen und Schenkungen und schickten auch weibliche Familienmitglieder ins Kloster. 1357 seien elf Nonnen dokumentiert, 1380 bereits 125, berichtete Rückert. Die Zahl der Nonnen korreliere mit dem Besitz und den wirtschaftlichen Möglichkeiten, denn alle mussten ja versorgt werden. Aus dem Jahr 1247 belegt eine Urkunde, dass das Kloster Besitz in einem zusammen hängenden Territorium von acht Orten hatte. Um 1500 sind dann schon Wiesen, Äcker und Fischteiche in 23 Orten aufgeführt. Besitzrechte waren dabei oft auch Herrschaftsrechte über ganze Dörfer, also inklusive der Menschen, die dort lebten. Quellen zeigen auch auf, dass das Kloster die angestammten Bauern auf ihren Höfen beließ, statt sie zu ersetzen, aus Erblehen wurden allerdings Fall-Lehen, weil damit mehr Einflussmöglichkeit bestand. Da die Nonnen in Klausur lebten, brauchten sie Laienschwestern und Laienbrüder (so genannte Konversen), die die Bewirtschaftung der Güter sicherstellten. Unterschiedlich bewertet wird die Frage, wie selbstständig die Ordensfrauen jenseits der Oberaufsicht des Salemer Abtes agieren und dabei auch das Kloster bei Bedarf verlassen konnten. Eine einheitliche Linie lässt sich dabei nicht bestimmen, es gab zumindest durchaus Spielräume, die aus persönlichen Gegebenheiten resultierten. Ende des 16. Jahrhunderts wurde allerdings von Ordensoberen und aus Rom die Wiedereinführung der strengen Klausur gefordert, worauf die Spielräume endeten.

Kunstgeschichte hält noch immer offene Fragen parat

Ein weiteres interessantes und noch keineswegs abschließend erforschtes Kapitel des Klosters betrifft die Kunstgeschichte. Darauf machte nicht nur der Kunsthistoriker Dr. Bernd Konrad aus Radolfzell in seinem Vortrag über „die Ausmalung der Klosterkirche 1532 – 1535 durch die Meister von Messkirch aus Balingen“ aufmerksam, sondern auch Guido Linke aus Freiburg mit seinen Betrachtungen zur Christus-Johannes-Gruppe. Die beiden überregional bedeutenden Kunstwerke haben durchaus noch ihre Geheimnisse. So zeigte sich Bernd Konrad davon überzeugt, dass die Ausmalungen in der Kirche dem so genannten Meister von Messkirch zuzuordnen sind, hinter dem sich in Wahrheit aber die Malerbrüder Josef und Marx Weiß aus Balingen versteckten. Konrad begründet dies mit neuen, sehr präzisen Fotoaufnahmen der Fresken die zum einen bessere Betrachtungen der Befunde ermöglichen, zum anderen auch erstmals Details offenbaren, die bisher mit dem bloßen Auge nicht wahrgenommen worden seien. So glaubt Bernd Konrad, dass mehrere, jeweils entgegen der damaligen Mal-Tradition nicht symmetrisch, sondern nur einseitig aufgemalten Kugeln das Signet der Malerbrüder aus Balingen symbolisiere. Er begründete dies mit ihrem von anderen Arbeiten bekannten Signet samt Initialen. Diese vermutete Urheberschaft erkläre die hohe Qualität der Ausmalungen; das Fehlen der Initialen liege darin begründet, dass die ganze Werkstatt beteiligt gewesen sei. Konrad bezeichnete diese These als „Durchbruch“ zur bisher offenen Frage, wer die Kirche bemalt habe; allerdings wurden in der Diskussion auch Zweifel laut, ob damit tatsächlich alle Fragen beantwortet seien.

Recht schnell konnte dagegen das Rätsel gelöst werden, wann wohl die vielfotografierte Christus-Johannes Gruppe rechts neben dem Altar platziert worden sei. Sie steht noch nicht lange dort. „Den Mann, der die Altarnische gebaut hat, habe ich vor zwei Jahren beerdigt“, antwortete Monsignore Heinrich-Maria Burkard; die Figurengruppe sei 1955 im Fundus der Kirche gefunden worden. Warum die historische Gruppe gleichwohl noch immer so großes Interesse hervorruft, erläuterte der Freiburger Kunsthistoriker Linke mit dem Verweis auf das äußere und innere Auge des Betrachters. Die Innigkeit, mit der der Apostel Johannes an der Brust Jesu ruhe, biete bei geschlossenem Auge die Suggestion von Transzendenz.

Über die Lebenswelt und Spiritualität von Zisterzienserinnen referierte die Bonner Theologin und Professorin für Kirchengeschichte, Dr. Gisela Muschiol. Sie erläuterte, dass Frauenorden anders als Mönche, die weitab von Menschen lebten, sich nahe bei oder in Städten niederließen und oft mit den Pfarrkirchen kooperierten. Äbtissinnen hatten stets einen Vaterabt oder einen abgesandten Priester zugewiesen, der weisungsbefugt war und damit ihre Macht einschränkte. Was die Spiritualität anging, so sei allerdings „die Klausur nicht immer so streng gewesen wie gewünscht, aber auch nicht so verfallen, wie es Reformer kritisiert hatten“, sagte Muschiol. Die Klausur sei nicht allumfassend gewesen; die Klosterfamilia mit Laienschwestern und -brüdern hatte eine wirtschaftliche Vernetzungsfunktion gehabt. Hinzu kam, dass die angestammte Verwandtschaft den Nonnen Unterstützung gewährte, weil die Ordensfrauen ja schließlich auch die Gebetsverpflichtungen für sie übernahmen. Die Spiritualität habe sich in den Stundengebeten und Messen gezeigt sowie in den Riten, etwa der „Nonnenkrönung“, die eine mystische Hochzeit mit Jesus darstellte. In den Schreibstuben seien etwa die Legenden weiblicher Heiliger besonders betont worden. In den Kapitelansprachen der Äbtissinnen, in Predigten und Briefen, aber auch durch Bildteppiche habe sich die Spiritualität manifestiert. Dass es dabei freilich eine spezielle zisterziensische Spiritualität gegeben habe – daran zweifelte Muschiol und verwies auf große Forschungslücken. Sie plädierte dafür, dies an Alltagsfragen festzumachen und kam zu dem Ergebnis, dass ein Vergleich der Orden für die Lebensweise und Spiritualität wohl mehr Gleichheit als Unterschiede ergebe.

Selbstbewusstes Zisterziensisches Klosterleben heute

In der abschließenden Diskussion über das zisterzienische Klosterleben heute standen die Äbtissin Hildegard Brem (Mariastern-Gwiggen) und Pater Akluin Schachenmayr (Heiligenkreuz) Daniela Blum Rede und Antwort. Sehr deutlich wurde der große Unterschied im Selbstverständnis und in den Aufgaben der beiden Konvente aus denen die Zisterzinserin und der Zisterzienser stammen. Während Heiligenkreuz ein Kloster mit über 1000-jähiger Geschichte zuweilen an der Last der historischen Verantwortung und den damit verbunden Aufgaben – Betreuung von mehrere Pfarreien, Ländereien, einem Archiv etc. – schwer zu tragen habe, kann die Gemeinschaft der Äbtissin nur auf eine wenige Jahrzehnte andauernde Kontinuität zurückblicken. Dies bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Während die Frauengemeinschaft quasi von der Hand in den Mund lebt, ist dem Männerkloster ein umfangreicher Wirtschaftsbetreib angehörig, der auch auf dem seit Jahrhunderten gewachsenen Wohlstand basiert. Für die modernen Zisterzienserinnen beschreibt Äbtissin Hildegard Brem seit dem 2. Vatikanischen Konzil eine starke Erneuerungsbewegung, die das Leben, den Alltag und das Selbstverständnis der Frauen stark verändert habe. So haben die Frauen im gemeinsamen Orden seit dem Jahr 2000 auch ein Mitspracherecht im Generalkapitel. Außerdem setzen sie sich inzwischen viel stärker mit der eigenen Liturgie und theologischen Schriften auseinander und agieren selbstbewusster, so die Mutter Äbtissin.

Zum Abschluss der wissenschaftlichen Tagung fand ein Konzert des Ensembles Schola Vox feminea aus Tübingen statt. Die Schola hatte eigens für die Tagung historische Notationen des Stundengebets aus Zisterzienserinnenklöstern erarbeitet und diese als wunderschönes Klangerlebnis am Ende der Tagung gestaltet. So konnten die TagungsteilnehmerInnen beim Wandelkonzert im Münster mit eigenen Ohren das mittelalterliche Chorgebet erleben. Einige Stücke werden auch heute noch in Mariastern gebetet, berichtet die Äbtissin.

(Barbara Thurner-Fromm, Petra Steymans-Kurz)

 

Das Kloster Heiligkreuztal ist das am besten erhaltene Zisterzienserinnen-Kloster in Oberschwaben.

Das Kloster nahe Riedlingen liegt eingebetttet in Wiesen und Felder.

Blick über die Felder auf das Klosteareal.

Das Interesse an der Tagung zum Leben der Zisterzienserinnen im Mittelalter war sehr groß.

Eine besondere Anziehungskraft auf Gäste übt die Christus-Johannes-Gruppe am Altar aus.

Der Kreuzgang mit seinen Ausmalungen wird derzeit restauriert.