Es darf gelacht werden

Über Humor in den Weltreligionen wird wenig geredet. Gibt es ihn überhaupt? Worüber lacht Gott? Trotz des Leidens Christi und schwerer Strafen für Blasphemie: Es darf herzlich gelacht werden.

Worüber lacht Gott? Das ist eine schwierige Frage. Zudem weiß man, dass Humor schon unter Menschen oft genug eine bierernste Angelegenheit ist, und Witze über Religionen oder ihre führenden Häupter wegen Blasphemie-Verdachts nicht selten den Kopf kosten können. Nichts davon hatte die BesucherInnen beim Vortrag von Harald-Alexander Korp im Tagungszentrum Hohenheim zu fürchten. Im Gegenteil: Es wurde viel geschmunzelt, gelacht, mindestens aber gelächelt. Denn der  Religionswissenschaftler, Autor mehrerer Bücher, Dozent an den Universitäten in München und Göttingen, Lach-Yoga-Trainer und Sterbebegleiter weiß nicht nur kurzweilig über Humor, Witz und das Lachen an sich zu berichten. Er hat auch die Schriften und Überlieferungen der Weltreligionen unter dem Blickwinkel des Humors analysiert – und ist fündig geworden. 

Humor braucht die Fähigkeit, zu sich selber Distanz zu halten

Aber der Reihe nach. In seiner Begrüßung verwies Thomas König, Fachbereichsleiter für Gesellschafts- und Sozialpolitik, auf Paradoxien, die zum Lachen anregen. Etwa, wenn der TV-Moderator und Arzt Eckhart von Hirschhausen fragt: „Warum laufen Nasen und Füße riechen? Sollte es nicht genau umgekehrt sein?“ Oder wenn der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal empfiehlt, „wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von Deinen Plänen“. Christian Ströbele, der in der Akademie den Fachbereich für religiösen Dialog leitet, zitierte ein geflügeltes Wort des Schriftstellers Otto Josef Birnbaum dazu: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“. Dieses etwas ernüchternde Motto könnte auch über der Entwicklung der interreligiösen Beziehungen der letzten Jahre stehen, sagte Ströbele: „Eine ganze Reihe von Entwicklungen haben den Dialog zuletzt belastet und erschwert, gerade im Verhältnis von Christen und Muslimen“. Ströbele verwies aber auch auf den Philosophen Sören Kierkegaard, der im Humor das philosophisch bedeutsame Vermögen gesehen habe, wahrzunehmen, wo die Wirklichkeit sich gerade nicht fügt. Humor brauche die Fähigkeit zur Distanz, gerade auch zum eigenen Selbst, und habe darin eine Nähe zum Glauben.

Daran knüpfte Harald-Alexander Korp an, der feststellte, dass Humor in der Religionswissenschaft kaum ein akademisches Thema sei. „Das Leiden Christi wird gelehrt, aber das Lachen nicht.“ Dabei ziehe sich das Thema durch die Mystik. „Es geht um das Ich und das Göttliche“, sagte Korp und schilderte eine kleine Begebenheit mit einem Muslim, der auf seinen Rollstuhl den Satz aufgeklebt hatte „Is lahm“. In der Mystik, so Korp, gehe es um eine Reise nach innen; in Achtsamkeit gelte es, den Blick auf die Innenwelt zu richten. Damit unterschieden sich die Mystiker von der landläufigen Vorstellung, dass Gebete nach außen wirken sollten.

Korp schilderte die Erkenntnisse der Gelotologie, wie  die Wissenschaft des Lachens heißt. Demnach gibt es im menschlichen Gehirn mehrere Regionen, die wie ein Kreislauf wirken müssen, um einen Menschen zum Lachen zu bringen: Er muss einen Witz erkennen und einen Widerspruch verstehen können. Er muss die Pointe über sein Sprachzentrum verstehen und das Gesagte emotional beurteilen können. Danach wird das Glückzentrum im Gehirn aktiviert und zuletzt die Gesichtsmuskulatur.

Der blasphemische Witz nimmt die 150-Prozentigen auf die Schippe

Humor ist so nicht nur „der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt“, wie es der Schriftsteller Joachim Ringelnatz formulierte. Humor sei eine Weltanschauung und Bewältigungsstrategie: „Die Angst hat als Gegenspieler den Humor“ bezeichnete es der Wiener Psychiater und Neurologe Viktor Frankl, der vier Konzentrationslager überlebte. Lachen ist dabei intensives Atmen, es wirkt deeskalierend, massiert die menschlichen Organe durch das Zwerchfell, was zur Entspannung führt. Lachen befreit, es ermöglicht einen Perspektivwechsel und es verändert das Machtgefälle von unten nach oben. Der Psychoanalytiker Sigmund Freud beschrieb es als „die Waffe der Wehrlosen“. Ins Religiöse gewendet bedeute dies, so Korp: „Der blasphemische Witz nimmt die 150-Prozentigen auf die Schippe“.

Beispiele über Humor lassen sich in allen Weltreligionen finden. Etwa im Christentum in der Geschichte von Abraham und Sarah, denen der Engel Gabriel verkündet, dass sie trotz ihres biblischen Alters noch ein Kind bekommen würden. Zuerst lacht Abraham Gott ob dieser Botschaft aus, er stellt damit Gott in Frage. Als sich die Vorhersage als richtig erweist, lachen sie vor Freude und Glück. Oder im Judentum: Bei den Chassiden heißt es: „Dienet dem Ewigen in Freuden.“ Gott will frohe Menschen. In allen Religionen, so referierte der Humor-Experte,  gibt es darüber hinaus Narrenfiguren, die die Welt auf den Kopf stellen.
Eine Hypothek im Christentum sei die Leidensgeschichte Jesu. Lässt sein Martyrium am Kreuz keinen Raum für Lachen? Korp verwies auf Gegenbeispiele und zitierte den Mystiker Meister Eckhart: „In einer jeglichen Tugend des Gerechten wird Gott durchgekitzelt vor Freude“ und „Gott hat ein Lachen in den guten Werken“.

Im Islam sei das Lachen noch weniger ein Problem gewesen, erläuterte Korp. Es gebe zahllose humorvolle Geschichten; im Koran, Sure 53:43 heiße es: „Gott ist es ist, der Weinen und Lachen macht“. Im Buddhismus ist zwar vom Lachen Buddhas selbst nicht die Rede, überliefert sei aber ein „Lächeln“. Und bekannt ist besonders Hotei, der lachende Buddha. Mögen die unterschiedlichen Religionen Trennendes bereithalten, so zeigte der amüsante Abend doch auch, was sie eint: Es darf gelacht werden.

(Barbara Thurner-Fromm)

Lacht Gott - und wenn ja, worüber? Christian Ströbele, Harald-Alexander Korp und Thomas König (von links) fanden darauf humorvolle Antworten.

Harald-Alexander Korp, Dozent und Autor, arbeitet auch als Lach-Yoga-Trainer.