Runter vom Sofa!

In der Pandemie leiden viele Ältere unter Vereinsamung. Viele Aktivitäten im ehrenamtlichen Bereich wurden durch Corona jäh gestoppt. Bei einer Tagung wurden Wege aus der Krise aufgezeigt.

Einsamkeit im Alter – das ist eigentlich ein altes Thema, aber durch die Pandemie zugleich völlig neu, weil es vergleichbare Erfahrungen lange nicht mehr gab und es durch die Ansteckungsgefahr mit Corona auch in einer besonderen Heftigkeit und Intensität über die Menschen gekommen ist. Nicht nur das Interesse an der Online-Tagung zum Thema war deshalb besonders groß, sondern auch das Bedürfnis, sich über Erfahrungen auszutauschen und Impulse für erfolgversprechende Aktivitäten zu erhalten, um Einsamkeit besser vorbeugen zu können. Der Vorsitzende des Landesseniorenrates, Professor Uwe Bähr, verwies in seiner Eröffnungsrede darauf, dass im Alterssurvey 2020 Einsamkeitsgefühle deutlich gestiegen seien. Einsamkeit besorge die Menschen nach der Armut am meisten, sagte Bähr. In der Pandemie seien gerade Ältere oft nicht gesehen worden, weil ihr soziales Netz oft klein und Kontakte extrem eingeschränkt seien. Deshalb sei es wichtig, aufmerksam zu bleiben.

Einsamkeit ist etwas anderes als allein sein und keine Krankheit

Dr. Thomas König vom Fachbereich Gesellschaft und Sozialpolitik an der Akademie sprach über die vielen Gesichter der Einsamkeit. Einsamkeit gehöre zum Leben sagte er, jede und jeder habe Einsamkeit schon erlebt. Das sei kein angenehmes Gefühl. Es sei nicht gleichbedeutend mit Alleinsein. Manche würden Einsamkeit als Krankheit ansehen, doch daran zweifle er. Allerdings sei Einsamkeit ein Faktor, der für Krankheitsgeschehen eine Rolle spielen könne. Einsamkeit in Pandemie-Zeiten sei vor allem der Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit – wobei Einsamkeit auch unter vielen Menschen möglich sei – nämlich dann, wenn man sich ungewollt und ungeliebt fühle. König verbindet mit dem Begriff Einsamkeit denn auch vor allem ein Gefühl des Alleingelassenseins verbunden mit dem Leidensdruck, diesen Zustand nicht selbst ändern zu können. Der Unterschied zwischen Alleinsein und einsam sein liege also in der Freiwilligkeit. Alter sei nicht unbedingt der Grund für Einsamkeit. Sie treffe Ältere nicht häufiger als Jüngere. Einsamkeit im Alter sei vor allem ein Problem der Hochaltrigkeit: Kontakte könnten nicht so gut gepflegt werden, schwindende Gesundheit führe zu einem kleineren Aktionsradius. Viele Freunde und Verwandte seien weggestorben und es wachse die Angst einsam zu sterben. Einsamkeit sei also weniger eine Problem des Alters als der sozialen Isolation und damit eine gesellschaftliche Herausforderung.

Dr. Gudrun Silberzahn-Jandt, Referentin im Kompetenzzentrum Sozialpolitik beim Caritasverband der Diözese, hat Interviews mit Corona-Erkrankten geführt und schilderte in Beispielen deren Binnensicht. Dazu gehörten extreme Gefühle von Verlassenwerden, Alleinsein, Einsamkeit als heftigste Gefühlsirritation – aber auch bis hin zur Geborgenheit. Angst spiele eine geringere Rolle als Einsamkeit; Einsamkeit sei aber verbunden mit Unsicherheit und räumlicher Enge. Silberzahn-Jandt schilderte auch die Bedeutung etwa der Videotelefonie in dieser abgeschlossenen Quarantänewelt und schilderte kleine Fluchten, etwa ein nächtlicher Gang zum Briefkasten, um ein Gefühl von Außenwelt aufrecht zu erhalten. Sie berichtete aber auch von der tröstenden Gewissheit durch den Glauben, nicht allein durch diese Prüfung gehen zu müssen.

Die Gemeindereferentin Beate Limberger aus Herbrechtingen, die auch lange in der Klinikseelsorge tätig war, benannte aktuelle Herausforderungen für die Gemeindearbeit mit alten Menschen: Was brauchen Sie, wenn sie aus dem Krankenhaus kommen? Was hilft gegen Einsamkeit in den eigenen vier Wänden? Welche Rolle können Kirchengemeinden dabei spielen? Was kann man für Menschen in den stationären Einrichtungen wie Krankenhaus, Hospiz oder Pflegeheimen tun? Übereinstimmend sei die Ansicht, das Gefühl von Einsamkeit nehme zu. Auch wegen körperlicher Gebrechen würden sich Menschen zurückziehen. Dies führe vermehrt zu Depressionen. Viele Menschen suchten Berührungen. Die wachsende Zahl von allein Lebenden sei lange Zeit ein Merkmal der Städte gewesen, doch inzwischen komme dieses Phänomen auch auf dem Land an.
Dies hat auch Folgen für die Kirchengemeinden, denn Ehrenamtliche sind selber alt geworden, Hauptamtliche werden weniger. Junge Mütter könnten Ältere zum Spaziergang mitnehmen, schlug Limberger vor. Es gelte alte, kranke, einsame Menschen in den Blick zu nehmen, und barrierefreie Möglichkeiten für Teilhabe zu schaffen.

Allein sein hat auch mystische Dimensionen

Bruder Otto aus Wolfach verdeutlichte anhand seines Lebens als Einsiedler den Unterschied zwischen Alleinsein und einsam sein. Er ist einer von rund 80 Eremiten in Deutschland und arbeitet in einem Pflegeheim als Pfleger, Seelsorger und Sterbegleiter, in dem derzeit rund 80 Prozent der BewohnerInnen mit Corona infiziert sind. Bruder Otto schilderte das Leben als Eremit als ein Leben in Stille und Zurückgezogenheit aus dem Gebet heraus. "Herr Jesus Christus, erbarme Dich meiner, erbarme Dich unser. Das beten wir den ganzen Tag", erzählte Bruder Otto. "Damit wissen wir, dass wir nicht alleine sind, wir sind immer mit Gott verbunden." Er beschrieb die Einsiedelei als "nüchternen" Lebensentwurf; "Wir sind keine Romantiker und Klausen sind keine Idyllen, sondern Kampfplätze. Das Beten und Schweigen, Hoffen und Aushalten der Einsamkeit fordert Disziplin." Eremiten seien aber auch für andere da und gesucht als Ratgeber. Er gebe aber keine Ratschläge, sondern höre zu, nehme sich Zeit und lasse die Leute sprechen. Für einen Klausner sei wichtig, sich selbst kennen zu lernen, sich selber auszuhalten. Es gelte, "finde heraus, was du wirklich willst, richte dein Leben danach aus und danach genieße es. Alleinsein ist der Schlüssel hinaus aus der Einsamkeit," sagte Bruder Otto.

Der Theologe und bekannte Autor geistlicher Schriften, Dr. Gotthard Fuchs, ging in seinem Beitrag auf spirituelle und mystische Dimensionen der Einsamkeit ein. Neben der bedrückenden Seite von Einsamkeit kenne die Mystik auch die befreiende Erfahrung, bewusst in die Einsamkeit zu gehen und sich in die Sphäre Gottes – was zunächst allerdings auch verbunden sein könne mit der Erfahrung von Langeweile, Nichts, Schmerz und Leere – zu begeben. Wie kraftvoll diese Erfahrung sein könne, kam in einem Text von Etty Hillesum (Tagebuch 1941) zum Ausdruck. Ähnliche Erfahrungen würden deutlich in Texten von Madeleine Delbrêl, die auf den Zusammenhang von Einsamkeits- und Gotteserfahrung eingehen. Gotthard Fuchs wies darauf hin, dass Gotteserfahrung hier sehr weit verstanden werden könne und verwies auf den Psalmvers "Du bist mein Atem, wenn ich zu Dir bete". So könne ein bewusster Weg in die Einsamkeit zur Erfahrung der Zusammengehörigkeit von allem (All-eins) führen.

Die Einsamkeit wächst ab 75 Jahren deutlich

Zu Beginn des zweiten Tages referierte Dr. Tanja Kiziak zu Fakten und Trends zur Einsamkeit im Alter. Die Ko-Autorin des Thesenpapiers "Gemeinsame Stadt" war aus Berlin zugeschaltet. Sie definierte Einsamkeit in Abgrenzung zur sozialen Isolation. Während das zweitgenannte eine Realität sei, die sich in Zahlen messen ließe, sei Einsamkeit subjektiv wahrgenommen und verkörpere eine Erwartung, die sich in der Realität nicht erfüllen ließe. Dabei habe Einsamkeit durchaus Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen und bedinge hohe Kosten für die Gesellschaft, wie Kiziak erläuterte.
Altersspezifische Einsamkeit ist ein Phänomen, das ab dem 75. Lebensjahr häufiger auftritt, wie Studien ergeben. Aufgrund der demografischen Entwicklung sei davon auszugehen, dass die Gefährdung zunehmen werde, denn es komme nun die Zeit, in der die Generation der Babyboomer in Rente gehen werde. Dabei sei Einsamkeit im Alter kein unausweichliches Schicksal: Faktoren, die fördernd wirken, ließen sich klar identifizieren: Armut, Krankheit, ein niedriger Bildungsstand gehörten ebenso dazu wie alleinstehend zu sein, keine Aufgabe zu haben oder eine fehlende Infrastruktur, die kein gemeinsames Erleben zuließe. Umgekehrt ließen sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung heraus auch positive Faktoren erkennen, die Menschen vor Einsamkeit im Alter schützen könnten: So sind Menschen heute länger gesund alt, sie verfügen durchschnittlich über ein höheres Bildungsniveau als die Generationen vor Ihnen und zeigen eine große Bereitschaft zum Engagement auch im Alter. Zudem ist eine größere digitale Mobilität älterer Menschen zu erwarten.

Junge Leute helfen den Älteren bei Videotelefonie

In der Diskussion ging es vor allem um konkrete Ansatzpunkte und Erfahrungsaustausch in der aktuellen Situation. So berichtete die Leiterin eines Stadteilzentrums in Waiblingen, dass eine Seniorengruppe bisher viel für andere geleistet habe, doch durch Corona sei nun vieles weggebrochen; auch die Sportgruppe für Hochbetagte. Es brauche nun viel Einzelanspräche und Ermutigung. Das Bild vom Alter habe sich durch Corona verändert, wurde geschildert. Gab es zuvor ein eigentlich positives Image wegen vieler fitter Älterer, so seien die Alten inzwischen die Spaßbremse für die Jungen.

Aus Bad Waldsee wurde berichtet, dass die 22 Mitglieder der Gruppe "Lebensqualität im Alter" jetzt alle Risiko-Patienten seien. Dies führe zu großen Problemen, Kontakt zu halten. Es gebe jetzt 14-tägig eine Gruppenzeitung, damit Menschen wenigstens miteinander telefonieren. Eine schöne Erfahrung sei, dass inzwischen 13 Gruppenmitglieder dank der Hilfe von jungen Leuten an Videotreffen teilnehmen könnten. Es koste große Anstrengung, das am Leben zu halten, aber es gebe auch ein sehr positives Feedback.

Es wurden aber nicht nur Online-Aktivitäten geschildert – Spaziergänge, Briefe, Balkongespräche – es geht auch ganz analog, um Menschen vom Sofa runter zu bringen. Entscheidend sei, "Wie schafft man Eigeninitiative?" Kirche müsse in diesem Sinne vor allem Netzwerke stricken und damit schon sehr früh anfangen, wurde gesagt und dass es besonders notwendig sei, konsumfreie Zonen der Begegnung zu schaffen, weil Armut Einsamkeit verstärke.

Pflegende Angehörige brauchen kleine Auszeiten

Am Nachmittag widmeten sich fünf Workshops in getrennten virtuellen Räumen dem Thema der Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Schwerpunkte lagen auf der Thematik "Angehörige und Pflege" und auf "Quartier und Wohnen".
Die Situation pflegender Angehöriger griffen zwei der Workshops auf: Die Einsamkeit von Angehörigen während und nach der Pflege war das Thema der Gerontologin Petra Kümmel aus Lenningen, die die "Agentur Pflege engagiert" betreibt. Neben Zahlen und Fakten zur "Pflege" in Deutschland stand die soziale und emotionale Einsamkeit der Angehörigen im Mittelpunkt. Was sollte es an Unterstützung für pflegende Angehörige geben? Die Lösungen, die Angehörigen Erleichterungen verschaffen, könnten vielfältig sein, und von Besuchsdiensten über Gesprächsangebote bis hin zu Gesprächskreisen für pflegende Angehörige reichen. PflegebegleiterInnen könnten eine wichtige Rolle als AnsprechpartnerInnen spielen. Wichtig wäre, dass die Anerkennung für die geleistete Arbeit Ausdruck findet, genauso wie Angebote zur Entlastung, Einzel- oder Gruppenbetreuung des zu Pflegenden. Ganz praktisch wären Gottesdienste für Pflegende, die zu Pflegenden und deren Angehörige möglich, Frühstücke, vielleicht verbunden mit einem Vortrag, gemeinsame Mittagstische, generell barrierearme Veranstaltungen, ergänzt um das Angebot von Fahrdiensten. Niedrigschwellig könnten Spaziergänge, Wanderungen, Ausflüge zur Entspannung der Situation beitragen, ebenso wie "Urlaub ohne Koffer" mit speziellen Angeboten für pflegende Angehörige.

Die Einsamkeit der Angehörigen in der Pflege war ebenso das Thema von Brigitte Bührlen aus München, die mit "Wir! Stiftung pflegende Angehörige" auf die Situation pflegender Angehöriger aufmerksam macht, Informationen sowohl für Betroffene als auch Verantwortliche bietet und die Thematik mit Aktionen in die Öffentlichkeit zu tragen versucht. Brigitte Bührlen ist Gründerin  und Stimme der Stiftung. In ihrem Workshop wurde deutlich, dass Pflegende besonders einsam seien. Und ihre ehrenamtliche Tätigkeit präge sie oft ein Leben lang. Das gälte insbesondere, wenn bereits Kinder und Jugendliche in die Pflege ihrer Angehörigen mit eingebunden seien. Für Frau Bührlen bedeutet Einsamkeit "es fehlt einem etwas in der Seele".
Auch aus ihrer eigenen Lebensgeschichte heraus wisse sie, was Angehörige bewege und wieviel Scham in vielen häuslichen Pflegesituationen auch eine Rolle spielen könne: "Ich konnte es nie wirklich jemanden sagen" und "Wenn man jemanden hätte, mit dem man reden könnte, … aber da ist ja niemand", seien Sätze, die dann oft gesagt würden. Die Teilnehmenden bestätigten diese Erfahrungen: Wenn man als Pflegende nur ein einziges Mal am Tag ausspannen könnte, beispielsweise wenn man ein Kind mit Behinderung pflegt …, wäre bereits viel gewonnen. Generell könne pflegenden Angehörigen nur geholfen werden, wenn Ihnen Zeit geschenkt werde, etwa für Möglichkeiten des Austauschs mit anderen Betroffenen (beispielsweise durch die Einrichtung einer Zoom-Kneipe in diesen Zeiten der eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten). Denn viele seien so in ihrer Situation gefangen, dass sie für Hilfsangebote kaum mehr erreichbar wären, wie Teilnehmende des Workshops berichteten. Hier gälte es um Vertrauen zu werben, zuzuhören um Kontakt zu finden. Mittlerweile gibt es als niederschwelliges Unterstützungsangebot sogar Internetradios für Angehörige, die meist eben von pflegenden Angehörigen gemacht werden, die um die Situation ebenfalls Betroffener wissen.
Doch wie können pflegende Angehörige ein Gruppengefühl entwickeln und immer einen nächsten, ersten Schritt gehen, um irgendwann auch auf der politischen Ebene angemessen vertreten zu sein?
Brigitte Bührlen fordert: Eine Telefonnummer für Angehörige, die pflegen, wo sie unbürokratisch und schnell Hilfe und Rat erhalten könnten. Oft träte eine Pflege-Situation plötzlich ein und träfe Angehörige unvorbereitet. Die bestehenden Einrichtungen (zum Beipsiel Pflegestützpunkte, Beratung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen) reichen dafür nicht aus oder wären mit ihren Leistungen in der Breite nicht bekannt genug. Jeder Sozialraum bräuchte Pflegebeiräte als zivilgesellschaftliche Vertretung, ebenso wie es Elternbeiräte in Schulen oder Kitas gibt. Die Sorgeleistung, die pflegende Angehörige erbringen, muss finanziell kompensiert werden. Nötig wäre eine grundsätzliche Reform des Pflegesystems: Das könne nicht länger anbieterorientiert betrieben werden, sondern müsse nutzerorientiert aufgestellt und vor allem personenzentriert und damit menschlich gestaltet werden. Nur dann könnten pflegende Angehörige und die zu Pflegenden den Stellenwert in der Gesellschaft erhalten, den sie verdienten.

Neue Ideen durch Erfahrungsaustausch

Welche Rolle spielen die Aspekte Wohnen und Quartier im Hinblick auf das Thema "Einsamkeit im Alter"? "Einsamkeit und Quartier 2030" war der Titel des Workshops, den Dieter Lehmann aus Ulm leitete. Das Projekt "Quartier 2030" wurde vorgestellt und der siebte Altenhilfebericht zur Rolle der Kommunen in der Seniorenarbeit herangezogen. Die Seniorenarbeit mit Quartiersansatz wurde am Beispiel von Schwäbisch Gmünd – Ansätze gegen Einsamkeit von SeniorenInnen im Quartier – erläutert und auf das Beispiel des Vereins JuFuN e.V. im Quartier Hardt unter Normalbedingungen und vor dem Hintergrund der Pandemie eingegangen. Am Anfang stand ein Video-Clip des Sozialministeriums zum Thema: Was ist mit Quartier gemeint? Was kann das Quartierskonzept leisten? Das ist auch in Pandemie-Zeiten eine Menge: Die Organisierte Nachbarschaftshilfe arbeite auch während eines Lockdowns, und auch dann werde regelmäßig telefonisch Kontakt zu den SeniorInnen des Stadtteils gehalten. Einzelfallhilfe gäbe es beispielsweise hinsichtlich der Wahrnehmung und Beschaffung von Impfterminen für Menschen, die über 80 Jahre alt sind. Die Mitwirkung am quartiersbezogenen städtischen Gesamthilfe-Netzwerk "Gmünd hilft" bleibe ebenso möglich wie die Hilfe für Familien im Quartier beim Home-Schooling. Die regelmäßige Herausgabe der Stadtteilzeitung "Kunterbunt" sei ebenso ein Faktor von Quartiersarbeit wie grüne Tafeln, Urlaub ohne Koffer oder Verschönerungen des Stadtteils zu Festtagen wie Weihnachten oder Ostern. Die gesamte Arbeit sei ein Programm, das Einsamkeit zurückdrängt, weil es Gemeinschaft fördert. Eine moderierte Gruppendiskussion mit Fragen hinsichtlich Austausch, praktischer Erfahrungen und weiteren Beispiele zum Gehörten, zum Quartiersansatz und insbesondere zur Einsamkeit von SeniorenInnen im Quartier schlossen den Workshop ab.
Im Workshop "Wohnen gegen Einsamkeit – neue Formen" informierte der Demografiebeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Thaddäus Kunzmann, über die demografische Lage in unserem Bundesland. Wie leben SeniorInnen heute, und wie ist es um die Mobilität im Alter bestellt? Wie sich die Entwicklung des ehrenamtlichen Engagements in Baden-Württemberg darstellt, war ebenso Thema wie die zunehmende Zahl von Altersdepressionen. So waren die bestimmenden Faktoren für Einsamkeit im Alter denn auch klar zu benennen: Armut sorge für Einsamkeit, Krankheit isoliere, geringe Bildung sei ein lebenslanger Einsamkeitsfaktor, Alleinstehende seien eher einsam als Menschen, die mit anderen zusammen leben, ein Mangel an sinnvollen Aufgaben mache einsam und wer nicht mobil sei, könne nicht teilhaben.

Tiefe existenzielle Erfahrungen

Im Arbeitskreis von Ludger Bradenbrink schließlich "Einsamkeit reinigt die Seele" wurde deutlich, dass Einsamkeit unter spiritueller Perspektive nicht nur negativ zu verstehen ist, sondern auch – wie zum Beispiel der Schmerz – als Indikator für negative Entwicklungen (soziale Isolation oder seelische Erkrankung und Einschränkung der Persönlichkeit) oder tiefe existentielle Erfahrungen verstanden werden kann. Hingewiesen wurde unter anderem auch auf die zunächst irritierende Vorstellung Rilkes, dass es ein großer Vertrauensschritt sei, wenn wir es zulassen, einander Wächter unserer Einsamkeit zu sein (und so den Indikator Einsamkeit ernst nehmen). All das habe Auswirkungen auf den kirchlich-spirituellen Umgang mit Einsamkeit. Spirituelle Begleitung sollte selbstverständlicher werden in kirchlicher Seniorenarbeit. Achtsamkeit auf die Geheimnisstruktur des Lebens könne auch bei der Begleitung einsamer Menschen helfen, Einsamkeitserfahrungen nicht zu verteufeln noch der Einsamkeit krankhaft zu verfallen. Religiöse Rituale und Ressourcen können für sich selbst und in der Begleitung anderer hilfreich sein, die Balance des Vertrauens zu stärken und Wege aus der Einsamkeitsfalle zu finden.

Zum Ende der Veranstaltung fanden sich die Teilnehmenden wieder gemeinsam in einem virtuellen Raum zusammen, um Gottesdienst zu feiern. Neben der Kirche in Herbrechtingen waren es drei weitere Orte, von denen Mitwirkende zugeschaltet waren, um den Gottesdienst unter der Leitung von Pfarrer Martin Schwer zu gestalten. So fand die erste gemeinsame Tagung des Fachbereichs Senioren, des FORUMS älterwerden und der Akademie, die online stattfand, einen bewegenden Abschluss.

Weitere Informationen und Materialien zur Tagung finden sich unter dem Link:
kirche-und-gesellschaft.drs.de/senioren/veranstaltungen/einsamkeit-im-alter-lag-tagung-2021.html

 

Die Pandemie hat Einsamkeit für viele ältere Menschen mit sich gebracht.

Kein Besuch und man selber traut sich nicht raus: Die Tage sind für viele ältere Menschen lang und leer.

Viele alte Menschen empfinden als besonders belastend das Gefühl allein gelassen zu sein.