Ein wahrer Kunstgenuss
Ein französischer Autor und ein russischer Komponist begegnen einander - herausgekommen ist eine ungewöhnliche Oper. Die Stuttgarter Inszenierung von "Der Schaum der Tage" gilt als die weltbeste - Grund genug, sie zum Thema der diesjährigen Operntagung zu machen.
Boris Vian ist einer der wichtigsten französischen Literaten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Edison Denisov einer der wichtigsten russischen Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Verbindung vom einen zum anderen schafft die Oper „Der Schaum der Tage“; sie vereint beide Personen miteinander. Auf der Textgrundlage des gleichnamigen Romans von Vian komponierte Denisov seine Oper.
Die Stuttgarter Opernaufführung „Der Schaum der Tage“, die 2013 zur weltbesten Inszenierung ernannt wurde, war Thema und Inhalt der diesjährigen Operntagung. Dieses eintägige Tagungsformat wird jährlich in Kooperation mit der Oper Stuttgart realisiert.
Eine der ungewöhnlichsten Liebesgeschichten der Weltliteratur
Sehr authentisch erzählte der französische Pianist und Musikwissenschaftler Jean-Pierre Armengaud über das Leben und Werk des außergewöhnlichen Komponisten Edison Denisov, der 1929 in Sibirien geboren wurde und 1996 in Paris starb. Armengaud, der mit Denisov befreundet war, hat das gesamte Werk des Komponisten vertont und seine eigenwillige Musikauffassung studiert. Stets ist das mathematisch-wissenschaftliche Interesse des Russen auch in seinen Kompositionen wiederzufinden, führte Armengaud nicht nur aus, sondern erläuterte das auch musikalisch anhand von CDs, die er den Teilnehmern vorspielte, praxisnah.
Der Chefdramaturg der Staatsoper Stuttgart, Sergio Morabito, der auch an der Inszenierung von „Der Schaum der Tage“ persönlich mitwirkte, ging in seinen zweiteiligen Ausführungen konkreter auf die Oper des russischen Komponisten Denisov ein. Zunächst sprach er über das Libretto, von den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden zwischen dem surrealen Roman von Boris Vian. Diese darin enthaltene Liebesgeschichte zählt zu einer der ungewöhnlichsten der Weltliteratur; das Werk zählt zu den 100 wichtigsten Bücher Frankreichs. Der Unterschied zu Vian sei, dass Denisov ein zutiefst religiös inspirierter Komponist war und deswegen liturgische Chornummern in die musikalische Dramaturgie seiner Oper integriert hat, führte Morabito auch anhand von filmischen Opernauszügen aus.
Ein Blick hinter die Kulissen der Oper
Die Mezzosopranistin Sophie Marilley, die in der Opernaufführung die Alise bemerkenswert singt und ausgezeichnet personifiziert, erwartete die Teilnehmer zum Abschluss der Tagung in ihrer eigenen Garderobe. Die Räumlichkeiten wirkten zwar etwas nüchtern auf die neugierigen Teilnehmer, aber dafür war die Sängerin umso offener. Ganz unprätentiös beantwortete sie die vielen Fragen der Opernliebhaber. Es war ein Genuss, diese hervorragende Sängerin und Schauspielerin persönlich backstage kennenlernen zu können. Auf der Bühne war sie aufgrund ihrer Opernrolle nicht wieder zu erkennen.
Durch die Tagung bestens vorbereitet, war es am Abend ein Vergnügen, die komplexe, vielschichtige Oper „Der Schaum der Tage“, in der betörende Liebe, feinsinnige Spiritualität und Offenheit für das Wunderbare thematisiert werden, live zu erleben. Ein langanhaltender Applaus machte dies deutlich.
(Ilonka Czerny)