Die schwierige Suche nach Frieden
„Suche Frieden“ - das ist Wunsch und Aufforderung zugleich. Doch ebnet Religion den Weg zum Frieden oder steht sie ihm eher im Wege? Dr. Christian Ströbele, Fachbereichsleiter für interreligiösen Dialog, zieht Bilanz zu Veranstaltungen beim Katholikentag.
„Suche Frieden“ lautete das Motto des diesjährigen Katholikentags, der vom 9.-13. Mai 2018 in Münster stattfand. Kritiker sagen dagegen: „Ohne die Religionen wäre die Welt friedlicher!“ Stimmt das?
Zweifellos bereitet gerade religiös motivierte Gewalt große Sorgen. Keine Religion ist immun gegen Radikalisierung. Dennoch hatten wir vor gut drei Jahren im Gesprächskreis „Christen und Muslime“ beim Zentralkomitee der Katholiken den Eindruck, dass die Debatten darüber einseitig sind. Wir wollten gemeinsam ein unmissverständliches Signal setzen: Gott zur Rechtfertigung von Tötungen und Gewalttaten in Anspruch zu nehmen, ist Gotteslästerung. Heilige Kriege gibt es nicht. Ziel Gottes ist der gerechte Friede. So lauteten die ersten Thesen unserer Erklärung „Keine Gewalt im Namen Gottes – Christen und Muslime als Anwälte für den Frieden“, die dann 2016 vom Zentralkomitee verabschiedet wurde. Leider erleben wir tagtäglich, dass die Thematik nichts von ihrer Aktualität und Dringlichkeit verloren hat. Darüber haben wir auch bei einem gut besuchten Podiumsgespräch beim Katholikentag diskutiert.
Und wie war die Resonanz?
Zunächst mal ist bemerkenswert, dass es eine ziemlich starke Resonanz gab, eine große Zahl an Zuschriften und auch Kommentaren in Sozialen Medien. Das ist ja bei derartigen Erklärungen alles andere als selbstverständlich. Zum einen gab es Einwände, wonach die Dinge viel schlimmer lägen, als wir sie scheinbar naiv darstellten. Es wurden auch solche Vereinfachungen und Verzerrungen wiederholt, welche die Erklärung gerade widerlegen möchte:etwa, dass der Koran oder „der Islam“ viel eher zur Gewalt neigten als das Christentum. Es gab aber auch sehr starken Zuspruch und sachlich-fundierte Rückmeldungen. Besonders freut mich, dass es jetzt, ganz neu, eine Aufbereitung der Thematik für den Schulunterricht gibt. Die Autorin der Unterrichtsmaterialien, Gabriele Klingberg, war in Münster mit dabei, und auch vier Schülerinnen und Schüler, die von ihren Erfahrungen damit berichtet haben.
Nun gibt es aber ja offenbar problematische Texte in der Bibel und imKoran. Wie geht man mit damit um?
Allerdings, es gibt sogar eine erschreckende Fülle biblischer Texte, in denen beispielsweise berichtet wird, dass Gott selbst Krieg führt, zur Vernichtung ganzer Völker aufruft, Menschen verstocken lässt oder kollektive Strafen für ganze Städte angekündigt werden. Man sollte nicht meinen, man könnte solche Texte einfach aussortieren und auch nicht, dass es eine einzige Auslegungs-Strategie gibt, die mit dem Gewaltpotential heiliger Texte ein für alle Mal aufräumen würde. Man braucht nicht nur die notwendigen textkritischen Grundlagen, sondern auch ein waches Gespür dafür, dass biblische Texte die sehr ambivalenten Erfahrungen der Menschen widerspiegeln – auch solche, die uns mit unserer eigenen Anfälligkeit für Gewalt konfrontieren. Und letztlich braucht man Kriterien für die Gewichtung der vielstimmigen Texte. Nach unserer Überzeugung gibt es einen deutlichen roten Faden, und das ist die Sehnsucht nach Frieden.
Wenn sich das in den Texten so verhält, wie setzt sich das dann ins Lebens, ins Heute um?
Wenn Menschen den Frieden suchen und einander wünschen, dann hat das konkrete Voraussetzungen. Das weiß auch schon der Jakobusbrief: „Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand von euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen?“ Also: Wer Frieden wünscht, der soll auch zusehen, dass menschliche Grundbedürfnisse und die nötigen sozial gerechten Verhältnisse voran gebracht werden. „Frieden“ meint ja nicht nur die Abwesenheit von Gewalt und Krieg, sondern eine lebensfördernde Ordnung und integre und sichere Verhältnisse. Die erwähnte Erklärung nennt am Ende eine Reihe von beispielhaften Initiativen und betont vor allem die Ebene der Begegnung und Zusammenarbeit vor Ort. Genau darum ging es auch bei einem weiteren Podium unseres Gesprächskreises: „In gemeinsamer Verantwortung Gesellschaft gestalten? Christen und Muslime in der pluralen Gesellschaft“.
Aber viele sehen die plurale Gesellschaft und das Miteinander von Christen und Muslimen gerade nicht als bereichernd und konfliktfrei. War das auch Thema?
In der Tat. Polarisierungen und Anfeindungen haben zugenommen, besonders gegenüber „dem Islam“. Umso wichtiger ist es, gemeinsam für die Grundlagen eines friedvollen Zusammenlebens einzutreten und auch Solidarität zu zeigen, wo diese verneint werden. In unserem vorhin erwähnten Papier heißt es: „Die Mehrheit der Muslime ist friedliebend. Diese friedliebende Mehrheit weiß um ihr beschädigtes Ansehen. Sie stellt sich kritischen Anfragen. Und sie distanziert sich von Gewalt. Es ist dagegen brandgefährlich, wenn Islamfeindlichkeit alltäglich wird. Islamfeindschaft ist ebenso unchristlich wie Judenfeindlichkeit.“ Umgekehrt ist die religionsübergreifende Suche nach Frieden ein auch islamischerseits zentrales Motiv, wie bei unserem Podium sowohl Aiman Mazyek wie Rabeya Müller betont haben. Die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen sind dabei weit größer, als die Unterschiede, aber das gilt es immer wieder bewusst zu machen, wie überhaupt Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt etwas ist, an dem wir fortwährend und gemeinsam arbeiten müssen – so auch Christof Mandry und Serap Güler.