Die Geduld der Frauen ist erschöpft

Nach 20 Jahren vergeblichen Bittens fordern sie beim Tag der Diakonin ultimativ Teilhabe an der Macht in der Kirche

Vor 20 Jahren haben sich erstmals aktive Katholikinnen aus ganz Deutschland im Tagungszentrum der Akademie in Hohenheim zusammengefunden, um über mehr Teilhabe in der Kirche zu diskutieren.

Verena Wodtke-Werner, die Direktorin der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, erinnerte nun an gleicher Stelle an die Aufbruchstimmung. „Ich stand hier hochschwanger am Rednerpult. Inzwischen studiert meine Tochter, aber verändert hat sich wenig. Das ist traurig“, sagte sie. Zwar hat sich Bischof Gebhard Fürst am 29. März 2017 ausdrücklich dafür ausgesprochen, auch Frauen zu Diakoninnen zu weihen. Doch bei der aktuellen Veranstaltung ließ sich kein Vertreter der Amtskirche blicken. Alle Einladungen an Bischöfe wurden negativ beschieden. Und auch dass der Papst 2016 eine Kommission ins Leben gerufen habe, um das Frauendiakonat historisch zu beleuchten, fand Wodtke-Werner nicht ermutigend. „Es ist doch höchst fragwürdig, anhand historischer Zeugnisse daraus etwas über die Rolle der Frauen heute abzuleiten.“ 

Neue Erkenntnisse durch päpstliche Kommission?

Dem widersprach zur Überraschung vieler im Saal ausgerechnet der Dogmatiker und  langjährige Kämpfer für Weiheämter für Frauen, Professor Peter Hünermann. Er habe dem Papst im vergangenen Jahr bei einem Gespräch in Rom gesagt, er müsse dringend etwas für die Frauen tun und ihm die Kommission empfohlen. Der Papst habe damals zu erkennen gegeben, dass er sich mit dieser Frage bis dato wenig beschäftigt habe.  Auch der Kirchenhistoriker Professor Hubert Wolf sieht die – übrigens paritätisch mit Frauen und Männern besetzte - Kommission keineswegs als Versuch an, das Thema abzuwiegeln. Im Gegenteil.  Der Papst teile das bisherige Dogma nicht, Jesus Christus habe keine Frauen um sich geschart, weshalb  ausschließlich Männer zu Weiheämtern berufen sind. „Es gab und gibt Diakoninnen.“ Das sei historisch belegt, argumentiert Wolf: „Und wenn es sie gab, dann kann nicht richtig sein, dass es sie nie gab.“

Endlich Demokratie wagen 

Für viele Frauen im Saal  ist diese Form der Debatte gleichwohl einfach nicht mehr zeitgemäß. Im Kern gehe es um Demokratie.  „Die Frauenfrage ist eine Überlebensfrage für die Kirche und sie stellt sich nicht mehr lange“, warnte die CDU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des ZdK, Dr. Claudia Lücking-Michel. Wolfgang Ehrenlechner, der Vorsitzende des Bundes katholischer Jugend berichtete von der Selbstverständlichkeit einer Doppelspitze bei der Nachwuchsorganisation. Und dass sich viele junge Katholiken von ihrer Kirche abwenden, wenn sie in ihrer Gemeinde sehen, dass völlig überkommene Strukturen die als selbstverständlich erlebte Gleichberechtigung von Frau und Mann wieder in Frage stellten.    

Schwester Dr. Katharina Ganz, die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen brachte es auf den Punkt: „Es ist eine reine Machtfrage“. Die Ordensfrau war im Mai vergangenen Jahres bei einer Audienz weltweiter Generaloberinnen im Vatikan, bei der auch Nonnen aus Lateinamerika über die Macho-Kirche berichteten, die sie ständig gängelten. „Neben dem Papst saß  Georg Gänswein“ -  der Kurienerzbischof und Präfekt des Pästilichen Hauses - “ein Eisschrank, der zeigte, wie schwer es der Papst bei dieser Kurie hat“. Gleichwohl zeigte sich auch die Generaloberin davon überzeugt, „der Vatikan kann es sich nicht leisten, wieder Nein zu sagen.“

Für ZdK-Vizepräsidentin Lücking-Michel ist klar: Die Katholiken müssen den aufrechten Gang lernen. Die Zeit des Bittens und um Erlaubnis fragen sei vorbei. Wenn wir uns in 20 Jahren wieder treffen, wird es Diakoninnen geben – oder es wird eine Männerkirche geben ohne Frauen.“ (Barbara Thurner-Fromm)

 

Abschließend wurde folgendes gemeinsames Statement verlesen:

Gemeinsame Erklärung

"Im gemeinsamen Einsatz für eine zukunftsfähige, partnerschaftliche und glaubwürdige Kirche erklären am "Tag der Diakonin 2017 " der Katholische Frauenbund (KDFB), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), das Netzwerk Diakonat der Frau und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK):

Seit Beginn des 20. Jahhrunderts und besonders seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) und der Würzbuger Synode (1971 bis 1975) engagieren sich Frauen und Männer in Deutschland für die Einführung des sakramentalen Diakonats von Frauen. Diakonisches Handeln gehört zu den Wesensmerkmalen der Kirche. Der Diakonat ist deshalb durch das Zweite Vatikanische Konzil wieder als eigenständiges Amt eingeführt worden. Als Getaufte und Gefirmte sind Frauen und Männer in gleicher Weise dazu berufen, aktiv am Aufbau und am Fortbestand der Kirche mitzuwirken und dabei den Dienst am Nächsten zu verwirklichen. 

Das bedeutet für uns:

Wenn die Katholische Kirche in Deutschland glaubwürdig und zukunftsfähig sein will, dann ist es dringend erforderlich, Frauen in die kirchliche Ämterstruktur einzubeziehen und die Diakonatsweihe für Frauen einzuführen. Die Fähigkeit, den Dienst am Nächsten zu tun und somit der Botschaft Jesu Christi Hand und Fuß zu verleihen, ist Frauen und Männern in gleicher Weise gegeben. Sie wirken als Glaubenszeuginnen und Glaubenszeugen in einer lebendigen Kirche. Es wird die Kirche stärken, wenn der sakramentale Diakonat beiden Geschlechtern offensteht. 

Wir danken Papst Franziskus für die Einberufung einer Kommission, um das Diakoninnenamt in den ersten Jahrhunderten der Kirche zu untersuchen. Gleichzeitig erwarten wir, dass die daraus gewonnen Erkenntnisse konstruktiv für die Weiterentwicklung des diakonischen Amtes für Frauen und Männer genutzt und zeitnah umgesetzt werden. Die Aufforderung des Papstes an die Bischöfe, Vorschläge zur Neugestaltung der Kirche auf lokaler Ebene zu machen, um das Evangelium in die heutige Zeit umzusetzen, bestärkt uns in der Hoffnung auf die notwendigen Reformen.

Mit Blick auf die Kirche in Deutschland fordern wir daher die Bischöfe auf, sich bewusst für die Einführung des sakramentalen Diakonats für Frauen einzusetzen und entsprechende Konzepte in einem überschaubaren Zeitraum zu entwickeln. Dabei sollen Erfahrungen und Kompetenzen von bereits in diesem Bereich engagierten Frauen und Männern einbezogen werden. 
Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Gleiche Würde und Gleichberechtigung von Frauen und Männern müssen endlich auch in der Katholischen Kirche Wirklichkeit werden. Dazu braucht es Mut und die Bereitschaft zu Veränderungen, aber auch Vertrauen in diejenigen Frauen und Männer, Priester und Laien, die sich gemeinsam und weltweit für eine partnerschaftliche Kirche einsetzen, in der Diakoninnen selbstverständlich, bereichernd, überzeugend und glaubwürdig den Dienst am Nächsten leben und so Kirche erfahrbar machen. 

Gemeinsam werden wir uns weiterhin für die Einführung des Diakonats der Frau einsetzen und unser Anliegen sowohl an den Papst als auch an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz herantragen."



Akademieleiterin Verena Wodtke-Werner im Gespräch

v. l. n. r.: Maria Theresia Opladen (kfd), Irmentraud Kobusch (Netzwerk Diakonat), Brigitte Vielhaus, Dr. Maria Flachsbarth (KDFB) und Dr. Claudia Lütting-Michel (ZdK)