Buntes jüdisches Leben

Forschung, Gedenkstätten und Initiativen gegen Antisemitismus trafen sich zum Austausch über jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Konzert machte zudem jüdische Kultur lebendig.


Zu unserer großen Freude kann die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit Juli wieder die Türen für ihre Gäste öffnen. Den Anfang machte der Fachbereich Geschichte mit seiner Tagung „Jüdischen Leben in Schwaben“, die vom 1. bis zum 3. Juli 2021 in Weingarten stattfand. Unter Beachtung der Pandemie-Maßnahmen, die unter anderem nur eine geringe Teilnehmerzahl ermöglichten, konnten 20 ReferentInnen ins Tagungshaus eingeladen werden. Die rund 60 TeilnehmerInnen wurden via Video-Konferenz online zugeschaltet. Das Hybrid-Format der Tagung ermöglichte so zum einen den persönlichen Austausch und Kontakt der ReferentInnen im Tagungsgebäude, zum anderen den Austausch mit den Online-TeilnehmerInnen. Die Tagung fand in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Jüdische Geschichte in Schwaben statt, in der Tagungsleitung vertreten durch die beiden Tübinger Professorinnen Benigna Schönhagen und Sigrid Hirbodian. Sie wurde gefördert vom #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland e.V.

Austausch in World Cafés

Inhaltlich befasste sich die Tagung mit dem schwäbischen Landjudentum in der Frühen Neuzeit. Neben Überblicksvorträgen zu verschiedenen Themenbereichen wie jüdisches Leben, Siedlungslandschaft und jüdische Friedhöfe, erhielten die TeilnehmerInnen beispielsweise durch den Vortrag von Dr. Naomi Feuchtwanger-Sarig, die aus Tel Aviv zugeschaltet war und eine jüdische Handschrift aus der Frühen Neuzeit vorstellte, detaillierte Einblicke in jüdisches Leben und jüdische Kultur. Der Bogen zur Gegenwart wurde von den VertreterInnen von acht schwäbischen Gedenkstätten, Museen und Initiativen geschlagen, die ihre Arbeit in Form eines World Cafés vorstellten. Diese Methode, bei der ein inhaltlicher Input gegeben und anschließend diskutiert wird, ermöglichte den TeilnehmerInnen jede Institution kennenzulernen und sich selbst mit Fragen oder Wortbeiträgen an der Diskussion zu beteiligen. Darüber hinaus entstand die Möglichkeit, sich zu vernetzen, Initiativen für zukünftige Kooperationen kamen auf. Als besonders fruchtbar wurde der Austausch zwischen universitärer Wissenschaft und lokalen Projekten empfunden. Die inhaltliche Vor- und Nachbereitung der World Cafés schaffte einen guten Überblick zum aktuellen Stand, zu der Diversität der Einrichtungen, ihren Gemeinsamkeiten, aber auch den zukünftigen Herausforderungen.

Abendempfang und Konzert

Die Abende der Tagung stellten einen Höhepunkt im Programm dar. Am ersten Abend empfing der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Dr. Michael Blume, im Namen des Staatsministeriums die TeilnehmerInnen in der Aula der PH Weingarten. Die Veranstaltung verdeutlichte die Vielfalt jüdischen Lebens in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Unter diesem Gesichtspunkt stellte sich auch die Initiative „Meet a Jew“ vor. Unter dem Motto “Nice to meet Jew“ gehen ehrenamtlich tätige Jüdinnen und Juden in Schulen, Kirchen oder Vereine und berichten dort von ihrem Leben, ihrem Glauben sowie ihrer Kultur und beantworten Fragen. Ziel dieser Initiative ist es, präventiv gegen Antisemitismus vorzugehen, indem der Zugang zur jüdischen Kultur ermöglicht wird. Dadurch sollen tradierte Klischees überwunden und eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglicht werden. Auf die Vorstellung der Initiative folgte eine Podiumsdiskussion, in der Dr. Michael Blume im Gespräch mit Hanna Veiler von der jüdischen Studierendenunion Württemberg, Marat Schlafstein und David Holinstat von der Initiative "Meet a Jude" und Rami Suliman von der iraelitischen Religionsgemeinschaft Baden die Herausforderungen für die Zukunft, aktuelle Tendenzen und Schwierigkeiten sowie die Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland beleuchtete.

Am zweiten Abend wurden die TeilnehmerInnen und weitere Gäste bei einem öffentlichen Konzert mit auf die Reise des Abraham Levi genommen, der von 1719–1723 den deutschsprachigen Raum bereiste. Auszüge aus seinem Tagebuch wurden vorgetragen und von dem Ensemble Simkhat Hanefesh mit klassischer Barockmusik und traditionellen jüdischen Liedern begleitet. Den Übergang von klassischer Musik zu jüdischen Volksliedern konnten dank eines Live-Streams auf YouTube nicht nur die ZuhörerInnen im Saal, sondern auch weitere Online-TeilnehmerInnen miterleben. Für einen authentischen Klang sorgten zahlreiche traditionelle Instrumente wie eine Nyckelharpa, Laute, Barockvioline oder Viola da Gamba.

Das Ergebnis dieser Tagung ist das Bewusstsein für die Vielfältigkeit des jüdischen Lebens in Schwaben in der Vergangenheit und der Gegenwart sowie die Schaffung von neuen Netzwerken in der Forschung und unter den Gedenkstätten. Die inhaltlichen Beiträge sollen in einem Tagungsband veröffentlicht werden.

(Clara Müller)

 

Das Hybrid-Format der Tagung ermöglichte zum einen den persönlichen Austausch und Kontakt der ReferentInnen im Tagungsgebäude, zum anderen den Austausch mit den Online-TeilnehmerInnen.

Bei der Podiumsdiskussion in der Aula der PH Weingarten wurden aktuelle Tendenzen und Schwierigkeiten sowie die Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland beleuchtet.

Bei einem öffentlichen Konzert wurden die Zuhörer auf die Reise des Abraham Levi mitgenommen. Auszüge aus seinem Tagebuch wurden vorgetragen und von dem Ensemble Simkhat Hanefesh begleitet.

Für einen authentischen Klang bei dem Konzert sorgten die Musiker mit zahlreichen traditionellen Instrumenten wie eine Nyckelharpa, Laute, Barockvioline oder Viola da Gamba.