Alles wie immer? – oder – Alles anders?

Wir werden uns sicher einmal an das Ostern 2020 erinnern. Denn es ist anders als die Osterfeiertage zuvor. Doch was werden wir im Gedachtnis speichern? Gedanken von Barbara Janz-Spaeth.

Ich beobachte zwei Richtungen in den Reaktionen auf die Auswirkungen der Corona-Krise:
Die einen füllen blitzschnell die Regale auf. Dass es etwas nicht gibt, darf nicht sein. Es muss zumindest Ersatz geben. Und so ersetzen wir auch Treffen durch Telefon- und Video-Konferenzen, streamen Gottesdienste, erarbeiten Impulse, Vorlagen, Arbeitshilfen. Darüber sind viele froh, denn wenn alles einigermaßen so bleibt wie bisher, gibt das Sicherheit. Ein beruhigender Eindruck: es handelt sich nur um eine vorübergehende Lücke, aber wir haben alles im Griff.

Die andern sehen die leeren Regale als Chance. Endlich können - müssen wir andere Möglichkeiten ausprobieren. Endlich spüren wir, was wir wirklich brauchen, was richtig wichtig ist. Das ganz Neue, das ganz Andere fasziniert – höchste Zeit, dass wir die Veränderungen einleiten. Den ganzen Laden umbauen, ausräumen, was nicht mehr gebraucht wird und Neues ganz woanders platzieren. Jetzt ist die Zeit.

Mein Bildschirm hat keine Kamera und so erscheint auf der Leiste der Videokonferenz ein schwarzes Quadrat, manchmal mit zwei großen Buchstaben. Wenn die Leitung gut ist, kann man mich hören, aber nicht sehen. Das schwarze Bild ist mir zum Symbol für die Menschen geworden, die wir gerade nicht mehr sehen und vielfach nicht mehr hören. Sie sind regelrecht verschwunden: die Kinder auf den Spielplätzen, die alten Menschen auf der Bank, die Schwachen, die Kranken, die kein Geld und keine Arbeit mehr haben, die Einsamen. Die, die keinen Laptop mehr bedienen können und lieber eine Hand halten würden. Die, die schon lange nicht mehr in unseren Gotteshäusern zu finden sind, für die unsere Sprache und unsere Rituale unverständlich und bedeutungslos geworden sind. In diesem schwarzen Bild sind auch die Menschen in anderen, ärmeren Ländern, die unter der Pandemie viel stärker leiden als wir hier. Wir sehen nicht, wie sie dieses Kreuz tragen. Wir hören nicht die Schreie der Trauernden an den Tausenden von Gräbern. Es ist still. Dunkel. Karfreitag 2020. Der Karsamstag 2020 lässt keine Geschäftigkeit zu. Wir müssen das verschlossene Grab, die Leere, die Stille miteinander aushalten. Wir können nichts tun außer warten.

Wie in Corona-Zeiten sind die einen hinter verschlossenen Türen. Sie haben Angst. Die anderen sind zu zweit nach Emmaus unterwegs. Die beiden erzählen einander, was sie erlebt haben. Sie fragen sich, wie es jetzt, nach diesem ganz anderen Pessachfest, weitergehen kann. Sie nehmen sich auf ihrem Weg Zeit für dieses „Dunkle“, für den leeren Platz, gehen in die Distanz. Sie spüren den Schmerz, der damit einhergeht.

Es gesellt sich Einer dazu, geht mit ihnen ihren Weg, an ihrer Seite. Es ist der, der das Dunkel durchlebt, die Verletzungen ausgehalten und den Schmerz ertragen hat. Jetzt geht er dazwischen, fragt nach, hört zu, erklärt, gibt sich zu erkennen. Er geht auch zu denen, die die Türen verschlossen haben, tritt in ihre Mitte und bringt einen neuen Geist.

Ostern 2020 sind wir alle einzeln, allein wie auf dieser Videokonferenzleiste. Wir sitzen nicht gemeinsam am Tisch. Wir können uns das Licht nicht weitergeben wie in vielen anderen Jahren. Wir können nicht gemeinsam singen, nicht gemeinsam feiern.
Doch es ist Ostern – wie immer, nur anders.

Zur Person: Barbara Janz-Spaeth ist Referentin für Bibelpastoral der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Sie arbeitet in der Akademie der Diözese bei Veranstaltungen, Projekten und zur Spiritualität in den Tagungshäusern mit.

Barbara Janz-Spaeth ist Referentin für Bibelpastoral der Diözese Rottenburg-Stuttgart.