Harmonie zwischen sich und der Welt

Volles Haus bei der Vernissage: Auf großes Interesse ist die Mitmach-Ausstellung gestoßen zum Thema: Wie sieht Glück aus? Bis 19. Mai sind 32 ganz unterschiedliche Lieblingsbilder zu sehen.

Wie sieht Glück aus? Das hat der Fachbereich Kunst der Akademie gefragt – und der Idee, für eine Mitmach-Ausstellung Bilder und eine Begründung einzureichen, warum ein spezielles Kunstwerk einen glücklich macht, sind viele Interessierte gefolgt. Mehr als 50 „Lieblingsbilder“ wurden von einer Jury gesichtet, denn alle, das war rasch klar, würden nicht Platz finden im Foyer des Tagungszentrums der Akademie in Stuttgart-Hohenheim. Doch 32 Bilder sind nun bis zum 19. Mai dort zu sehen. Sie sind sehr verschieden – in der Größe, im Format, in der Technik, im Sujet – aber alle haben sie gemeinsam, dass sie ihre Besitzer und Besitzerinnen glücklich machen.

Ein Hirsch mit Abendkleid

Bei manchen ist es allein der Anblick, der schöne Gefühle beim Betrachtenden auslöst – etwa bei den „Lichtgestalten“ von Roger Aupperle. Ein Paar mit jeweils einer Schirmlampe auf dem Kopf sitzt da so einträchtig nebeneinander, als wäre es das Normalste der Welt. Das zwingt einen unwillkürlich zum Schmunzeln, so sehr erinnert es an Szenen von Loriot. Sehr hübsch ist auch das Foto von Sophie Calles Installation „Hirsch mit Abendkleid“ aus einer Ausstellung im Pariser Musée de la Chasse. Nicole Huber, die das Bild mit dem wie hingegossenen roten Abendkleid auf einem ausgestopften Hirsch einreichte, hat von der Ausstellung zufällig beim Zeitungslesen in Paris erfahren und musste sie unbedingt sehen. Inspiriert und mit einem Lächeln im Gesicht habe sie das Jagdmuseum wieder verlassen, schreibt sie erläuternd dazu und fragt „Sophie, wo bist Du gerade? Ich komme!“

Warum macht ein einsam in einer verlassenen Landschaft stehendes Metallbett (Foto von Adrian Lacour) glücklich? Warum liebt Maria-Theresia Löser ein Bild ihres verstorbenen Mannes mit Skizzen aus einem Urlaub 1973 in Riomaggiore, Cinque Terre? "Weil es unsere glücklichste Zeit war." Es sind stets ganz persönliche Wahrnehmungen, unwiederbringliche Momente etwa und besondere Empfindungen, die ein Bild zum Glücksbringer machen, das wird aus den beigefügten Texten deutlich. Für Ingeburg Wölfle, die eine Fuchs-Mutter mit zwei Jungen in ihrem Garten fotografiert hat, ist Glück „die Summe einzelner Glücksmomente“, die sie im Laufe eines Jahres beim Blick aus dem Fenster erlebt. Johannes Stehle, der mit einem Bild vom südlichen Jakobsweg „via de la plata“  vertreten ist, schreibt dazu kurz und knapp: „Glück zeigt sich mir als Weg, den ich erkenne und auch gehe“.
Dr. Ilonka Czerny, die Fachbereichsleiterin Kunst, ging in ihrem Vortrag auf vordergründige Vorstellungen von Glück ein: Erfolg, Geld, Liebe, Schönheit und Besitz. Und doch, so erläuterte sie wissenschaftliche Erkenntnisse, „sind Lottogewinner nicht glücklicher als Menschen ohne Gewinn“.

Glück ist etwas sehr Flüchtiges

Glück als „Zustand der Harmonie zwischen sich und der Welt“ ist eben doch (auch) etwas ganz anderes. Czerny zitierte den französischen Schriftsteller Francois de La Rochefoucauld, der empfahl, „bevor man etwas brennend begehrt, sollte man das Glück derer prüfen, die es bereits besitzen“. Entscheidend für das Glück sei nicht, was sich ereignet, sondern wie wir das bewerten. Czerny verwies auch mit Blick in die Kunstgeschichte, dass Glück immer etwas sehr Flüchtiges ist. Als Kugel auf einem Kubus hat es Johann Wolfgang von Goethe in Weimar darstellen lassen. Als einen wilden Reiter, der auf einer schmalen Brücke über einen Abgrund hinweg galoppiert, auf der Jagd nach einer flüchtigen Frauengestalt auf einer Glaskugel, hat es Rudolf Friedrich August Henneberg gemalt.

Angesichts solch flüchtiger großer Glücksgefühle hält sich mancher doch lieber an das kleine Glück. Die Clownin Friederika etwa, die, – gespielt von Nicole Huber aus Backnang  – „schwäbisches Glück in Tüten“ präsentiert: Die Kehrwoche oder das Viertele kommen da zum Vorschein, das Spätzlesbrett oder die Sparbüchse. Oder die Köchin des Tagungszentrums Hohenheim, die, von Ilonka Czerny gefragt, was sie glücklich mache, antwortete: Nudeln mit zwei Soßen. Die gab es dann auch für die Vernissage-Gäste und ein Schokolädle zum Abschluss. Braucht es wirklich mehr zum Glück?
(Barbara Thurner-Fromm)

INFO: Die Ausstellung ist zu sehen bis 19. Mai 2019. Sie ist werktags zu besichtigen zwischen 9 und 18 Uhr; samstags und sonntags auf Anfrage

Auf großes Interesse sind die Bilder der Mitmachausstellung gestoßen.

Warum ein Bild zum Lieblingsbild wird, erschließt sich oft erst durch die Begleittexte.

Die Leiterin des Fachbereichs Kunst, Dr. Ilonka Czerny, führte in die Ausstellung ein.

Die Clownin Friederika alias Nicole Huber präsentierte schwäbisches Glück in Tüten.