Das „eine" Afrika gibt es nicht

Woran denken wir, wenn wir „Afrika“ hören? Und woran denken wir eben nicht? Was und wie wird über Afrika berichtet und welche Gegennarrative gibt es? Darüber ist im Tagungshaus in Weingarten diskutiert worden.

Der afrikanische Kontinent besteht aus über 50 Ländern, in denen mehr als 1,1 Milliarden Menschen leben. Trotz der enormen Vielfalt des Kontinents ist die Afrikadarstellung in den europäischen Massenmedien jedoch meist durch drei K's geprägt: Kriege, Krankheiten und Katastrophen. Länder so unterschiedlich wie Somalia und Südafrika, Tunesien und Tansania, Ägypten und Äquatorialguinea werden alle zum gleichen Konstrukt "Afrika" homogenisiert. Aber auch afrikanische Repräsentationen des Kontinents besitzen keinen privilegierten Zugriff auf Wirklichkeit.


Vom 8. bis 10. Dezember fand im Tagungshaus Weingarten eine Tagung zum Thema „Mediale Bilder von Afrika“ statt. Sie wurde organisiert von Heike Wagner, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie  Ivo Ritzer, Valerie Hänsch und Johanna Rieß von der Universität Bayreuth und beschäftigte sich damit, wie wahrgenommene Wirklichkeiten konstruiert und dekonstruiert werden und welche Rolle verschiedene Medien dabei spielen können.

Johanna Rieß hob in ihren einleitenden Worten hervor, dass eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen Ländern und Menschen nötig sei, die Opfer-Ästhetik, von der das massenmediale Afrikabild vorwiegend geprägt sei, dies aber nicht zulasse. Nadine Siegert (Bayreuth) sprach über eine notwendige Dekolonisierung des Blicks. Dies gelinge aber nur, wenn sich Betrachterinnen und Betrachter darauf einließen und eine bewusste Reflexion über das Gesehene in Gang komme.

„Die weiße Massai“ – Konservierung rassistischer Stereotypen

Julia Dittmann (Berlin) sprach in ihrem Vortrag über die „weiße“ Frau im afrikanistisch imaginierten Raum des okzidentalen Blockbusters. Eines ihrer Beispiele war der Film „Die weiße Massai“, der in Deutschland Millionen KinobesucherInnen zu verzeichnen hatte. Im Film, so Dittmann, werde die „weiße“ Frau als hegemonial konstruiert. Die afrikanistische Filmfigur Lemalian werde zum Blickobjekt und abgewertet. Dies mache den Film rassistisch, er führe das koloniale Stereotypendenken über Afrikanerinnen und Afrikaner fort.

Veye Tatah (Dortmund), Herausgeberin der Zeitschrift AFRICA POSITIVE, sprach über die mediale Darstellung Afrikas und deren Folgen. Sie forderte einen Perspektivenwechsel. Tatah wuchs in Kamerun auf. Ihre primäre Referenz der Identifizierung war dabei ihr Land und andere Referenzen. „Erst in Deutschland wurde ich zur Afrikanerin“, so Tatah. Diese Kategorisierung zeige, dass in Deutschland kein differenziertes Bild bestehe und die 54 Länder auf dem afrikanischen Kontinent auf einen Punkt homogenisiert würden. Dies allein mache deutlich, dass das mediale Bild von Afrika höchst undifferenziert und oberflächliches sei. Wenn ein Bericht mit „Ebola in Afrika“ anstatt mit „Ebola in Liberia, Guinea und Sierra Leone“ überschrieben sei, schade das den anderen Ländern. Tatah forderte, die einseitige Berichterstattung zu einer vielfältigen zu machen. Nur so könnten die vermeintlichen Wirklichkeiten dekonstruiert werden. Es ginge jedoch keinesfalls darum, die Probleme der afrikanischen Länder schön zu färben oder gar zu verschweigen, doch die Berichterstattung und die Bilder müssten ausgewogen und vielfältig sein. Gerade die Vielfältigkeit, die auf dem afrikanischen Kontinent vorhanden sei, werde medial nicht dargestellt. Die medialen Bilder von Afrika reduzierten sich fast ausschließlich auf die genannten drei großen Ks. Diese einseitige Berichterstattung hätte u.a. weniger Direktinvestitionen in afrikanischen Ländern, Diskriminierung der in Europa lebenden Afrikanerinnen und Afrikaner und die Vermeidung der Darstellung moderner Städte- und Wirtschaftszentren zur Folge. Die Zeitschrift AFRICA POSITIVE möchte hierzu ein Korrektiv sein und die Berichterstattung diversifizieren.

Perspektivwechsel durch „Africa narrative“

Auch Roukaya Kasenally (Nairobi), Senior Adviser der African Media Initiative, forderte einen Perspektivenwechsel, ein „Africa narrative“. Sie betonte erneut, dass Afrika kein Land sei, sondern ein Kontinent mit 54 Ländern, von denen die meisten schon 50 Jahre Unabhängigkeit gefeiert hätten. Dies sei immer wieder bewusst zu machen. Es sei dringend mehr Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen Ländern nötig. So könnten die Menschen voneinander profitieren und ein eigenes afrikanisches Narrativ weiterentwickelt werden. Vor allem müssten die afrikanischen Medien stärker hervortreten, die Reporterinnen und Reporter besser geschult werden. Das Ziel sei, dass Afrika nicht nur durch die eurozentristische Brille gesehen werde, sondern Afrikanerinnen und Afrikaner sollten ihre Länder und ihren Kontinent selbst darstellen.

Medien schaffen Bilder

Im letzten Block der Tagung ging es um mediale Darstellungen von Migration. Sissy Helf (Frankfurt) betonte, dass wir zwar glaubten, über Migration Bescheid zu wissen. Doch wir wir würden nur unsere Erfahrungen und Vorstellungen zum Thema kennen und projizieren. Als Mediennutzerinnen und -nutzer brauche man stets das Bewusstsein, dass Medien Macht besitzen und scheinbare Realitäten schaffen. Die lokale Ebene, also z.B. die Gepflogenheiten, unter denen ein Bild entstanden ist, müssten immer miteinbezogen werden, um die Darstellung einordnen zu können.

Dia Tagung hat gezeigt, dass es das „eine“ Afrika nicht gibt und dass sich die Darstellung der afrikanischen Länder keinesfalls auf die negativen Punkte beschränken darf. Ausgewogenheit und Bewusstsein sind nötig, um eine Homogenisierung zum Konstrukt „Afrika“ und eine Konservierung des kolonialen Blicks zu verhindern. Dies zu erreichen ist Aufgabe der Medien, der Politik und eines jeden Einzelnen. (Ramona Platz)

Magdi el-Gizouli (rechts) vom Rift Valley Institute, Nairobi, mit Johanna Rieß von der Universität Bayreuth