Postsowjetische Migration in Stuttgart

Wie gut ist die Integration der Menschen aus der Ex-Sowjetunion im Südwesten gelungen, welche Hürden gibt und gab es? Dem ging die Tagung zu Postsowjetischen Communities nach.


Der Historiker und Migrationsforscher Jannis Panagiotidis betonte bei der Tagung, dass grundsätzlich die umfangreichsten Integrationspakete auch zu den größten Integrationserfolgen führten.



Gari Pavkovic, Integrationsbeauftragter Stuttgarts, berichtet von den spezifischen Erfahrungen der Stadt.



Auf dem Podium diskutierten (von links): der Historiker Jannis Panagiotidis, Susanne Jakubowski von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, der Stuttgarter Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic, der Künstler und Autor Nikita Gorbunov, Mariam Koridze Araujo, Leiterin Migration und Integration des Landkreises Esslingen, und Ernst Strohmaier von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.


Von Elena Winterhalter

Die Tagung der Akademie zum Thema Postsowjetische Communities insbesondere in Baden-Württemberg und Stuttgart fand in Kooperation mit der Abteilung Integrationspolitik der Stadt Stuttgart und der Landeszentrale für politische Bildung statt. Die zentrale Frage: Was können wir aus den Zuwanderungsgeschichten lernen, welche Hürden gibt und gab es? Der Historiker und Migrationsforscher Jannis Panagiotidis, Autor des Buches „Postsowjetische Migration in Deutschland – eine Einführung“, machte den Versuch einer Darstellung des Status quo. Dabei konzentrierte er sich insbesondere auf die Situation der russlanddeutschen Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentsflüchtlinge – wobei es sich um weit heterogenere Communities handelt, die aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind.

Altersarmut ist ein großes Problem

In seinem Vortrag schlüsselte Panagiotidis zunächst die Situation auf dem Arbeitsmarkt und in den unterschiedlichen Einkommensklassen auf. Eines der größten Probleme sieht der Historiker dabei in der Altersversorgung. Der Knackpunkt: Die Arbeitszeiten in den ehemaligen Heimatstaaten werden in Deutschland häufig nicht anerkannt, vielen bleibt nur die Grundsicherung.

Auch Susanne Jakubowski, Koordinatorin des Stuttgarter Rates der Religionen, stufte das Thema Altersarmut in dieser Bevölkerungsgruppe als prekär ein. Was fehle sei die politische Unterstützung und die Anerkennung von Renten und Qualifikationen. Alle Vorstöße – auch in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden – die Regelungen zu ändern, seien bisher gescheitert. „Ich weiß wirklich nicht, wovor die Entscheider Angst haben“, sagte Jakubowski. Es gehe nämlich nicht um die Menschen, die bereits Jugendliche waren, als sie nach Deutschland gekommen sind. Die seien überwiegend in guten Jobs und versorgt: „Es geht nur um einen sehr kleinen Teil der Menschen.“

Wie lässt sich der Integrationsverlauf verbessern?

Panagiotidis betonte, dass grundsätzlich die umfangreichsten Integrationspakete – das umfassendste Paket samt deutscher Staatsangehörigkeit erhielten russlanddeutsche Spätaussiedler:innen – auch zu den größten Integrationserfolgen führten. Nach seinen Empfehlungen für einen besseren Integrationsverlauf gefragt, wies er darauf hin, dass man hier über Prozesse spreche, die bereits gelaufen seien. „Die Menschen sind teilweise 30 Jahre und länger in Deutschland. Da stellt sich die Frage, ob es da etwas nachzuholen gibt.“ Er plädierte dafür, bestehende Dialogformate zu stärken. Denn gerade die Einbindung und Beteiligung – auch die politische – sei entscheidend für eine positive Wahrnehmung von Zusammenleben. „Sie haben in meinem Vortrag gesehen, die Zahlen sehen nicht schlecht aus, und trotzdem sind ja nicht alle happy.“ Abschließend verwiest auch er erneut auf das Thema Altersarmut. „Das ist leider ein Dauerbrenner. Hier bräuchte es meiner Meinung nach stärkeren politischen Druck.“ Viele Dinge könne man im Nachhinein nicht ungeschehen machen, aber es wäre ein Anfang zumindest nachträglich eine gewisse Anerkennung zu leisten – für den geleisteten Beitrag in der Gesellschaft. „Und das muss auch kommunaler Ebene stattfinden.“


Teilnehmende bei der Podiumsdiskussion: Was können wir aus den Zuwanderunsgeschichten lernen?

Wie lässt sich der Integrationsverlauf verbessern? Die Ergebnisse der Workshops wurden an Pinnwänden festgehalten.