Das Städel Museum als „Pilgerziel“

Im Leben erfolglos, von der Nachwelt gefeiert: Die große Kunstschau über Vincent van Gogh lockt als Kunst-Highlight zum Jahresauftakt auch zahlreiche BesucherInnen der Akademie nach Frankfurt.

Es war klar, dass die Ausstellung „Making Van Gogh“ Massen anziehen wird. Aber, dass die Massen strömen und lange Schlangen vor der Museumstür verursachen würden, wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung „Überall van Goghelt´s“ (Ferdinand Avenarius, 1910) erst bewusst, als die Wartenden sichtbar wurden. Wohl dem, der mit der Akademie die Reise unternahm und sich, weil zwei Führungen bereits seit Monaten reserviert waren, nicht einreihen musste. Noch nie war eine Tagung im Fachbereich Kunst derart schnell ausgebucht.

Ungeheurer Fleiß und wahnsinnige Schaffenswut

Mit dem Bus ging es bequem am 18. Januar frühmorgens von Stuttgart nach Frankfurt. Im ersten Teil der Tagung, der in der Evangelischen Akademie auf dem Frankfurter Römerberg stattfand, führte die Fachbereichsleiterin Kunst an der Akademie, Dr. Ilonka Czerny, die TeilnehmerInnen mit einem 90-minütigen Vortrag über „Vincent van Gogh – das zu Lebzeiten verkannte Genie" in das Leben und das Werk des berühmten Künstlers ein. Vincent van Gogh ist eine der schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten der Kunstgeschichte. Er muss als cholerisch und eigensinnig bezeichnet werden, weshalb geschlossene Freundschaften schnell wieder zerbrachen. Sein Briefwechsel mit seinem Bruder Theo, der 1872 begann und 1890 zwei Tage vor dem Tod des Künstlers endete, ist literarisch beachtenswert und vor allem lehr- und aufschlussreich. Das Malen hat er sich fast ausschließlich selbst erarbeitet. Durch ungeheuren Fleiß und mit einer wahnsinnigen Schaffenswut schuf er in der kurzen Zeit seines Wirkens (von 1882 bis 1890) 900 Gemälde und mehr als 1000 Zeichnungen. Trotz allem würde man ihn, wenn er heute leben und arbeiten würde, wohl als „Versager“ bezeichnen, weil er keine Ausbildung durchhielt. Auch eine Familienbildung blieb ihm versagt. Und seit seinem Entschluss, Künstler zu werden, blieb er finanziell von seinem vier Jahre jüngeren Bruder abhängig. Erst nach seinem Tod erhielt Vincent die Anerkennung durch jüngere Künstlerkollegen und auch erst danach zeigten sich Verkaufserfolge seiner Werke.

50 Originalbilder und 70 von van Gogh inspirierte Werke

Der zweite Teil der Kunstexkursion fand am frühen Nachmittag im Städel Museum statt. Das Ausstellungs- und Forschungsprojekt „Making van Gogh“ wurde bereits vor der Eröffnung als das deutschlandweite kulturelle Groß-Ereignis beworben. Mit 50 Originalbildern von van Gogh selbst und 70 Bildern von Künstlern, die van Gogh posthum als Vorbild sahen und sich von seiner Malweise inspirieren ließen, war die Ausstellung auch museumspädagogisch hervorragend gemacht. Das Anliegen der Präsentation, die Bedeutung van Goghs für die deutsche Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu würdigen, ist vollumfänglich gelungen. Zwei KunstvermittlerInnen, die durch den Rundgang führten, erläuterten die Schau sachkundig.

Die Tagesexkursion nach Frankfurt, mit einführendem Vortrag in der Evangelischen Akademie und Führung im Städel, fand bereits zum dritten Mal statt. Die Teilnehmerzahlen erhöhten sich dabei stetig. Die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen, die die Kombination aus Vortrag und Führung als gelungene Ergänzung sahen, bestätigen dieses Tagungsformat, welches wir auch im kommenden Jahr fortsetzen möchten. Von Dezember 2020 an bis April 2021 wird der große Rembrandt das Mainufer aufsuchen, und auch wir wollen uns mit ihm in der hessischen Finanzmetropole treffen – sind Sie dabei?

(Dr. Ilonka Czerny)

 

Vincent van Gogh (1853 – 1890), Weiden bei Sonnenuntergang, 1888

Einführender Vortrag zu Vincent van Gogh von Dr. Ilonka Czerny

Dr. Ilonka Czerny im Gespräch mit TeilnehmerInnen der Exkursion

Ausblick auf das Bankenviertel aus dem Panoramasaal der Evangelischen Akademie Frankfurt

BesucherInnen der Ausstellung „Making van Gogh“

Vincent van Gogh, Selbstporträt, Chicago