Mit der Theorie in die Praxis

Seminare für angehende Beamt:innen und für Studierende der Sozialen Arbeit finden nicht nur im Hörsaal statt, sondern auch draußen in Gemeinden und Landkreisen, wo konkrete Fragen von Migration und Integration zu klären sind.

Von Kibreab Habtemichael Gebereselassie*

Angehende Beamt:innen stoßen auf den Alltag in den Kommunen: Das ist der Gedanke hinter einer Seminarwoche, die vergangenes Jahr gleich zweimal stattfand. Am Beispiel des Ballungsraumes Stuttgart erfuhren und erlebten rund 65 Student:innen der Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Kehl die verschiedenen Aspekte von Migration – nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis: Es ging um unterschiedliche Zielgruppen (Arbeitsmigrant:innen und Flüchtlinge, Saisonniers und Eingewanderte, Spätaussiedler:innen und Kontingentflüchtlinge, EU-Angehörige und Drittstaater:innen); es ging um juristisch unterschiedliche Themenstellungen und den Umgang mit ihnen (Ausländer:innen-, Flüchtlings- und Staatsangehörigkeitsrecht; nationale, europäische und internationale Regelungen). Vor allem besuchten die Student:innen auch unterschiedliche Akteur:innen in der Migrationsarbeit wie kommunale Behörden, Wohlfahrtsverbände und andere NGO‘s, ferner Bildungsträger und freie Initiativen.

Durch ausgewiesene Expert:innen der unterschiedlichen Disziplinen ebenso wie durch langjährige Praktiker:innen der jeweiligen Handlungsfelder sollten die Studierenden Orientierung erhalten, um sensibel zu werden für eine migrations- und integrationsorientierte Verwaltung. Die Seminarwoche will dazu beitragen, dass diese jungen Menschen intensiv mit dem Thema konfrontiert werden – sowohl im Hinblick auf ihre individuellen Grundeinstellungen als auch auf ihre beruflichen Entscheidungsprozesse.

Die Seminarwoche „Integration und öffentliche Verwaltung“ des Fachbereichs Migration und Menschenrechte findet statt in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Öffentliche Verwaltung (Kehl). Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg unterstützt mit  Mitteln des Landes die Vorbereitung der künftigen Beamt:innen auf eine Tätigkeit in migrations- und integrationsspezifischen Handlungsfeldern.

Ein ähnliches Konzept übrigens – enge Verzahnung von Theorie und umittelbarer Praxis – verfolgt das Kompaktseminar „Migration und Soziale Arbeit“, das die Akademie nun schon seit 1981 für Studierende der Soziale Arbeit aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden anbietet. Bei der Dezembertagung 2022 ging es vor allem um den „Stresstest“, dem die Soziale Arbeit durch den Zuzug so vieler Geflüchteter zunächst 2015, und dann insbesondere im Zuge des Ukraine-Krieges 2022 ausgesetzt ist. Das war nicht nur in quantitativer Hinsicht eine Herausforderung für die Fachkräfte der Sozialen Arbeit, sondern verlangte auch nach einer deutlichen Ausweitung sprachlicher, psychologischer, soziologischer, religionswissenschaftlicher und rechtlicher Kenntnisse. Der Anspruch ist hoch, und es stellt sich die Frage, was dies konkret für die Soziale Arbeit in einer Migrationsgesellschaft bedeutet.

 

Dr. rer. publ. Kibreab Habtemichael Gebereselassie leitet an der Akademie derzeit den Fachbereich Migration und Menschenrechte.