Die Erfahrung, jenseitige Straf- und Verheißungsorte zu schauen und die körperlichen Strafen sogar selbst zu erfahren, ist nicht erst Thema der berühmten Göttlichen Komödie Dante Alighieris. Als Jenseitsvision oder -reise ist sie Gegenstand zahlreicher mittelalterlicher Texte, etwa im Rahmen von hagiographischen Werken oder von Chroniken. Im späten Mittelalter steigt die Textproduktion lateinischer und volkssprachlicher Visionen stark an, diese werden nun auch zunehmend von einer städtisch-laikalen Leserschaft rezipiert und treten in neuen Konstellationen, etwa mit Ars moriendi-Literatur, auf.
Die Fülle mittelalterlicher Visionen ist bis heute noch nicht vollständig erschlossen. An diesem vielgestaltigen Textkorpus können verschiedene Fragen der Medialität und Überlieferung von Offenbarungstexten untersucht werden. Visionen gehen nicht nur mit dem Mysterium des Geschauten, sondern auch mit den Schwierigkeiten um, dieses in verbindlicher Form zu vermitteln. Die Jenseitsvisionen des oder der Einzelnen gehen durch zahlreiche Ohren und Hände, sie werden immer wieder umgeschrieben und retextualisiert. In unterschiedlichen Sammlungskontexten können Visionen zudem den jeweiligen politischen, religiösen und sozialen Verhältnissen entsprechend funktionalisiert werden. Diese Prozesse des Aufschreibens sind notwendig, um Offenbarungswissen zu speichern, sie gefährden aber zugleich auch den Anspruch göttlicher Wahrheit.
Mittelalterliche Visionen stehen somit in einem medialen Spannungsverhältnis von „Gesicht und Handschrift“. Diesen Zusammenhang beleuchtet die Tagung aus den Blickwinkeln der Geschichts- und Literaturwissenschaft, der Theologie und der Kunstgeschichte. Im Zentrum stehen die verschiedenen Funktionen von Visionen in hagiographischen und historiographischen Quellen, etwa wenn sie historische Ereignisse transzendent begründen sollen. Umgekehrt wird auch danach gefragt, mit welchen Strategien Offenbarungen authentifiziert werden und welche Akteure, Institutionen und Medien dafür relevant sind.
Die Tagung findet in Zusammenarbeit mit dem DFG-Projekt „Vergänglichkeit und Ewigkeit. Konfrontationen und Verschränkungen unterschiedlicher Zeitsemantiken in mittelalterlichen Jenseitsreisen“ (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) und dem Arbeitskreis für hagiographische Fragen statt. Nähere Informationen zum Arbeitskreis finden Sie unter: www.akademie-rs.de/hagiographie
Veranstaltungen für Expert:innen
Gesicht und Handschrift
In Zusammenarbeit mit dem DFG-Projekt "Vergänglichkeit und Ewigkeit" (Universität Kiel) und dem Arbeitskreis für hagiographische Fragen
Donnerstag, 2. April 2020
15:00 Uhr
Begrüßungskaffee
15:30 Uhr
Begrüßung
Petra Steymans-Kurz, Stuttgart
Einführung
Andreas Bihrer, Kiel
Julia Weitbrecht, Kiel
Moderation: Klaus Herbers, Erlangen
16:00 Uhr
Historiographische Überlieferungsformen,
Autorisierungsstrategien und Adressaten hochmittelalterlicher (Jenseits-)Visionen
Hedwig Röckelein, Göttingen
17:00 Uhr
Derweil im Diesseits
Reaktionen und Umgang mit dem Körper des Jenseitsreisenden
Karolin Künzel, Kiel
18:00 Uhr
Abendessen
19:00 Uhr
Visionen und Materialität
Die spätantike Visionserwartung und ihre Transformation im Mittelalter
Armin Bergmeier, Leipzig
danach gesellige Runde in der Denkbar
Freitag, 3. April 2020
7:30 Uhr
Morgenimpuls in der Kapelle
Frühstück
Moderation: Claudia Alraum, Erlangen
8:30 Uhr
Gespräche über die Unterwelt
Jenseitsreisen in Byzanz am Beispiel des ,Timarion‘ im
12. Jahrhundert
Rike Szill, Kiel
9:30 Uhr
Der König träumt
Visionen als politische Botschaften im ,Chronicon ex chronicis‘ des Johannes von Worcester um 1140
Uta Kleine, Hagen
10:30 Uhr
Kaffee / Tee
11:00 Uhr
Einzeltext und Fortsetzung
Göttliche Offenbarung in Wiederholung
Thomas Müller, Zürich
12:00 Uhr
Der abwesende Bischof
Überlegungen zur Funktion des Wechselspiels von Vision und Narration in der Severin-Legende
Daniel Eder, Göttingen
13:00 Uhr
Mittagessen
Moderation: Peter Rückert, Stuttgart
14:30 Uhr
Authentifikation durch Offenbarung – Authentifikation
von Offenbarung
Elisabeth von Schönau, die Kölner ‚Reliquienfunde‘ und die Legende der heiligen Ursula
Tanja Mattern, Düsseldorf
15:30 Uhr
Vision und Gebet
Zum sog. Paternoster-Gebetbuch der Magdalena von Freiburg
Thomas Lentes, Münster
16:30 Uhr
Kaffee / Tee
17:00 Uhr
Vision und Devotion
Zu Innsbruck, ULBT, Cod. 9
Maximilian Benz, Zürich
18:00 Uhr
Abendessen
19:00 Uhr
Öffentlicher Abendvortrag
Schrift-Bilder
Buch und Vision in mittelalterlichen Apokalypsedarstellungen
David Ganz, Zürich
Samstag, 4. April 2020
8:00 Uhr
Morgenimpuls in der Kapelle
Frühstück
Moderation: Freimut Löser, Augsburg
9:00 Uhr
Also das sy nahend verzagt was an gottes barmhertzikeyt
Die frühneuhochdeutsche Übersetzung C der ,Visio Tnugdali‘ im Fassungsvergleich
Patrick Nehr, Kiel
10:00 Uhr
Kaffee / Tee
10:30 Uhr
Zwischen Politik und Selbstbestimmung
Die Visionen der Lucia Brocadelli (1476–1544)
Cornelia Linde, London
11:30 Uhr
Zusammenfassung und Schlussdiskussion
Miriam Czock, Duisburg-Essen
Felicitas Schmieder, Hagen
12:00 Uhr
Mittagessen und Tagungsende
Prof. Dr. Andreas Bihrer
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Prof. Dr. Julia Weitbrecht
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Dr. Petra Steymans-Kurz
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Tagungskosten - inkl. Verpflegung und Übernachtung im EZ 142,00 €
- inkl. Verpflegung und Übernachtung im DZ 118,00 €
- ohne Übernachtung und Frühstück 60,00 €
Ermäßigt
- inkl. Verpflegung und Übernachtung im DZ 108,00 €
Stipendium für Studierende Wenn Sie als Studierende Interesse an einem Stipendium für diese Tagung haben, melden Sie sich bitte bei Petra Steymans-Kurz (kurz@akademie-rs.de). Der Förderverein der Akademie kann bei entsprechender Eignung die Kosten übernehmen (Rechtsweg ist ausgeschlossen).
Anmeldung und Rückfragen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
– Geschäftsstelle –
Assistenz: Kerstin Hopfensitz M.A.
Im Schellenkönig 61, 70184 Stuttgart
Tel: +49 711 1640 752
E-Mail: geschichte@akademie-rs.de
Anmeldung: www.akademie-rs.de/vakt_23132
Die Anmeldung erbitten wir schriftlich spätestens bis zum 24.03.2020. Sie erhalten eine Anmeldebestätigung. Bei Rücktritt von der Anmeldung vom 25.03. bis 01.04.2020 (Eingangsdatum) stellen wir Ihnen die Hälfte der Tagungskosten in Rechnung, danach bzw. bei Fernbleiben die Gesamtkosten. Ersatz durch eine andere Person befreit von Stornogebühren.
Bild- und Video-Aufnahmen Wir erstellen Bildmaterial. Mit der Anmeldung erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir gegebenenfalls Fotos oder Filme veröffentlichen, auf denen Sie zu erkennen sind.
Tagungshaus und Anreise Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
– Tagungszentrum Hohenheim –
Paracelsusstraße 91, 70599 Stuttgart
Tel: +49 711 451034 600; Fax: +49 711 451034 898
Ihre Anreise: www.akademie-rs.de/hohenheim-anreise
Kontakt
Dr. Petra Steymans-Kurz
Fachbereichsleiterin
Fachbereich Geschichte
Tel.: +49 711 1640 753
E-MailKurzbiografie / Veröffentlichungen