Neue Ideen für alte Konflikte

Wie können in den festgefahrenen Konflikten im osteuropäischen Raum neue Dialog-Möglichkeiten geschaffen werden? Mit dieser Frage beschäftigten sich Friedenschaffende aus Osteuropa.

Die festgefahrenen Konflikte in Osteuropa und im Südkaukasus haben weitreichende negative Auswirkungen auf die Entwicklung der betroffenen Gesellschaften. Eine Lösung dieser Territorialkonflikte ist im Hinblick auf die aktuellen regionalen und internationalen Dynamiken auch mittelfristig wenig realistisch. Vielmehr ist derzeit eine Situation erreicht, in der offizielle Friedensprozesse festgefahren und zunehmend ineffektiv sind. Zivilgesellschaftliche Dialoginitiativen können neue positive Impulse zur Unterstützung der laufenden Friedensprozesse setzen und Möglichkeiten für einen direkten Austausch über Konfliktlinien schaffen. Jedoch bestehen in den festgefahrenen Konflikten um Abchasien, Berg-Karabach, Südossetien und Transnistrien zahlreiche strukturelle, soziale und politische Barrieren, welche die Räume für und die Wirksamkeit von Dialoginitiativen begrenzen. Deshalb bedarf es neuer Ideen und Konzepte des Dialogs, um Wege zu finden jene Barrieren zu umgehen.

Internationales OSZE-Netzwerk sucht nach Konfliktlösungen  

Diesem Ziel widmete sich vom 15. bis 18. April der Workshop „Cross-regional and inter-sectional dialogues: Developing new approaches to support bottom-up peace initiatives”. Der Workshop wurde von der gemeinnützigen Organisation Corridors, dem Tampere Peace Research Institute, sowie der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Rahmen des zweijährigen Projekts „Cross-Regional Corridors of Dialogue" des OSCE Network of Academic Think Tanks and Institutions und mit der finanziellen Unterstützung des Auswärtigen Amtes gemeinsam durchgeführt. Das OSCE Network ist eine unabhängige Initiative von Institutionen aus 42 Ländern, welche zu laufenden Diskussionen im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE/OSCE) in Europa beiträgt. Das OSZE-Netzwerk wurde 2013 – inspiriert durch einen Vorschlag des damaligen OSZE-Generalsekretärs Lamberto Zannier – von mehr als einem Dutzend Forschungseinreichtungen gegründet mit dem Ziel, Expertise zu OSZE-relevanten Themen zur Verfügung zu stellen, Diskussionen anzuregen und das Bewusstsein über die OSZE zu schärfen. Mittlerweile zählt das Netzwerk 88 Mitglieder, darunter renommierte Institutionen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), das ZIF – Zentrum für internationale Friedenseinsätze oder das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Die Akademie ist dem Netzwerk Anfang 2018 beigetreten.

An der dreitägigen Veranstaltung im Akademie-Tagungszentrum Hohenheim nahmen rund 20 VertreterInnen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus Georgien/Abchasien/Südossetien, Aserbaidschan/Berg-Karabach, Moldawien/Transnistrien, Finnland und Deutschland teil. Gemeinsam evaluierten die Teilnehmenden vergangene und laufende Dialogprozesse und identifizierten best practices und gewonnene Erkenntnisse. Auf Grundlage ihrer weitreichenden Erfahrungen entwickelten die Friedensschaffenden neue Ideen und innovative Formate für inklusive Dialogprozesse. Darüber hinaus bot der Workshop einen Raum für überregionalen Dialog und für Austausch zwischen VertreterInnen lokaler Zivilgesellschaften und OSZE-Strukturen. 

Im Herbst wird der Bericht in Wien vorgestellt

Die Teilnehmenden machten deutlich, dass zivilgesellschaftliche Dialogprozesse greifbare Resultate für die von Konflikten betroffenen Gesellschaften hervorbringen müssen. Andererseits würden jene Prozesse die Unterstützung vor Ort verlieren, was die Arbeit für die beteiligten Akteure erschwert und zur weiteren Verfestigung der Konfliktstrukturen beiträgt. Zusammen identifizierten die Teilnehmenden einen besseren Austausch zwischen lokalen Zivilgesellschaften und internationalen Akteuren, den weiteren Aufbau von zivilgesellschaftlichen Kapazitäten durch die Etablierung gemeinsamer Bildungsprogramme und die Verstetigung des überregionalen Dialogprozesses als wichtige Ziele.

Weitere konkrete Schritte zur Realisierung dieser Ziele wurden bereits initiiert. Auf Grundlage der Ergebnisse verfassen die VeranstalterInnen einen OSZE Netzwerk-Report, welcher im Herbst dieses Jahres vor internationalen Akteuren in Wien vorgestellt und diskutiert wird. Der Folgeworkshop bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihren Dialog fortzuführen und in direkten Austausch mit internationalen Akteuren zu treten. Darüber hinaus organisiert Corridors diesen September eine friedenspolitische Sommerschule für Studierende und junge AbsolventInnen aus Osteuropa und dem Südkaukasus.

 

Kontakt:

Sebastian Relitz, Corridors – Dialogue through Cooperation

relitz@opencorridors.de

Dr. Konstanze Jüngling, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

juengling@akademie-rs.de

FriedensaktivistInnen aus Osteuropa diskutieren neue Dialogmöglichkeiten zur Konfliktlösung.