Worüber Männer nicht gern reden

Eine Depression kann jeden Menschen ereilen. Aber Männer sind besonders oft davon betroffen. Was dabei passiert und wie man zurückfindet ins Leben, hat Daniel Göring berichtet.

Männer und Krankheit  - das ist ein schwieriges Thema, denn ins Rollenverständnis vieler, besonders auch sehr leistungsorientierter Männer, passt Krankheit und damit verbundene Schwäche nicht. Auf der anderen Seite wird oft gelächelt über „Männergrippe“, also eine vermeintliche Kleinigkeit, hinter der sich bei Männern aber eben oft mehr versteckt als nur ein Schnupfen oder eine Befindlichkeitsstörung. Gunter Neubauer vom Initiativkreis Kompetenzzentrum Netzwerk Jungen- und Männergesundheit Baden-Württemberg hatte bei einer Veranstaltung im Tagungshaus der Akademie in Weingarten zum Thema Burnout und Depression beunruhigende Zahlen mitgebracht: Mehr als 17 Prozent aller Männer haben einer aktuellen Studie zufolge mindestens einmal im Leben eine depressive Phase. Mehr als 10 000 Menschen begehen pro Jahr Suizid; darunter vier Mal so viele Männer wie Frauen.

Plötzlich packt einen die Sehnsucht nach dem Verschwinden

Vor allem im Alter zwischen 55 und 60 Jahren steige die Suizidhäufigkeit; die „Übergangsbewältigung“, also der Blick auf das Altern und der nahende Ausstieg aus dem Berufsleben sei für Männer eine schwierige Lebensphase. In diesem Alter würden sie aber auch häufiger unter Überbelastung und Stress leiden. Neubauer nannte mehrere Gründe dafür: Berufliche "Überbindung" und Überbeanspruchung lasse Männer aus dem Gleichgewicht geraten. Zweifel wie „warum tue ich das alles?“ oder „niemand kann mich recht verstehen“ könne zu einer „Sehnsucht nach dem Verschwinden“ führen. Neubauer, der Mitautor des Männergesundheitsberichts des Landes ist, fordert deshalb einen besseren psychischen Arbeitsschutz. Er kritisierte, dass nur fünf Landkreise in Baden-Württemberg sich bisher damit beschäftigten.

Daniel Göring führte dem interessierten Publikum, in dem auch zahlreiche Männer saßen, sehr plastisch vor Augen, was es konkret bedeutet, in eine schwere Erschöpfungsdepression zu fallen, die bis zum Suizidversuch reicht. Der Schweizer Journalist und langjährige Leiter der Kommunikationsabteilung beim Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt und einem internationalen Bau- und Tourismuskonzern hat es am eigenen Leib erlebt und darüber ein Buch geschrieben: „Der Hund mit dem Frisbee“. Damit will der Autor nicht nur Verständnis für die Erkrankung wecken, sondern auch Hoffnung machen, dass man trotzdem wieder ins Leben zurückkehren kann.    

Daniel Göring schildert das plötzliche Vakuum in sich

Dass man psychische Schwierigkeiten habe es einem nicht gut gehe, sei ein schwieriges Thema für Männer; „die Leute fühlen sich unbehaglich und reagieren unsicher bis ablehnend darauf, wenn man öffentlich bekennt, dass es einem nicht gut geht.“ Denn die Psyche sei nicht sichtbar und schwer fassbar, etwas unheimlich. Das führe dazu, dass es noch immer viele Vorurteile gebe und Menschen oft stigmatisiert würden. Dabei könne eine Depression jeden Menschen treffen; dies habe weder mit Faulheit noch mit Charakterschwäche zu tun, sondern sei eine sehr ernsthafte Erkrankung. Daniel Göring schilderte sehr anschaulich seine körperlichen und psychischen Belastungen, die er im Gefolge von Terror (11.  September 2001), schweren Flugzeugunglücken (etwa der Zusammenstoß zweier Flugzeuge bei Überlingen) und später mit schlechten wirtschaftlichen Daten (rote Zahlen im Konzern) in seinem Beruf durchlebte.

Göring sprach offen darüber, wie die Krankheit ihn und sein Verhalten veränderte: „Ich halte das nicht mehr aus, eines Abends hatte ich das Gefühl, als stehe ich in einem Vakuum und auch in mir drin ist ein Vakuum“. Er sei von dem Gedanken beherrscht gewesen, dass er sich aus dem Leben verabschieden müsse, um Druck und Stress zu entkommen. Mit Medikamenten wollte er diese Ruhe finden, als er tags drauf aber wieder erwachte, war ihm klar, dass er schnell Hilfe benötige.

Auf diese Hilfe musste er allerdings wochenlang warten, ein Zustand, der auch in Deutschland nicht anders ist, denn für eine Psychotherapie gibt esPsychotherapeuten habe lange Wartezeiten und stationäre Aufenthalten in der Psychiatrie sind oft mit viel Behördenkram verbunden. Göring berichtete, dass er in dieser Zeit  niemanden mehr um sich herum ertragen konnte, schon in einem Supermarkt an einer freundlichen Kassiererin vorbei zu gehen, schien ihm unerträglich. Er sei damals selbst unerträglich für seine Umgebung gewesen, räumt er ein, er habe es aber damals nicht wahrgenommen.

Zwei Monate stationärer Aufenthalt in einer Klinik, moderate Bewegung – aber eben nicht mehr das hochleistungsgeprägte Radfahren früherer Tage – systematische Entspannungsübungen und die Therapiegespräche haben ihn wieder zurückgebracht in die Welt. In einem neuen Job arbeitet er heute weniger, das Handy bleibt auch einmal ausgeschaltet, statt immer 100 Prozent Einsatz bringt er heute auch mal nur 5020, wenn es möglich ist, und hebt sich seine Energie für anderes auf. Aber er gesteht auch: „Ich habe Jahre gebraucht, um Dinge mit der nötigen Distanz zu sehen, den Moment zu genießen und micht stärker als vor her mit Menschen zu umgeben, die mir gut tun.“ 

Der Weg zurück in den Job ist nicht einfach

In der Diskussion, moderiert von Dietmar Merz von der Evangelischen Akademie Bad Boll, stießen vor allem berufliche Implikationen auf großes Interesse. Während Göring ganz offen mit seiner Erkrankung umgeht, riet ein Teilnehmer, der nach einer Erschöpfungsdepression gerade wieder auf Jobsuche ist, davon ab, die Krankheit zu thematisieren, weil Arbeitgeber befürchteten, dass man den Anforderungen damit nicht gewachsen sein könnte. Gesprächskreise, in denen Männer über solche Themen sprechen könnten, gebe es leider nicht, wurde kritisiert; viele müssen deshalb ihre Probleme mit sich selber ausmachen.
Immerhin: Das auch zahlenmäßig große Interesse an der Veranstaltung des Fachbereichs Gesellschafts- und Sozialpolitik der Akademie und den Erfahrungen von Daniel Göring sowie die offenen Aussprache danach zeigten, dass Burnout und -Depression kein Tabu mehr sein solltemuss. (Barbara Thurner-Fromm)

Sprachen über Burnout und Depression: Gunter Neubauer, Autor Daniel Göring, Akademie-Fachbereichsleiter Thomas König und Moderator Dietmar Merz.