Ein Menschenfischer

Nach 40 Jahren geht Klaus Barwig, der Fachbereichsleiter für Migration, in den Ruhestand. Sein Abschiedsfest dokumentiert beeindruckend seine erfolgreiche Arbeit.

Die Hohenheimer Tage zum Migrationsrecht waren auch in diesem Jahr wieder innerhalb weniger Stunden aus- und überbucht. Die traditionelle jährliche Tagung Ende Januar ist bundesweit nicht nur ein Markenzeichen für die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, sondern „das“ Treffen für all diejenigen, die sich in Rechtsprechung, Verwaltung, Politik und Wissenschaft mit dem Thema Flucht und Migration beschäftigen. Auch in diesem Jahr waren die Foren und Vorträge wieder prominent besetzt, die Debatten kontrovers und auf hohem Niveau und die Gespräche in den Gängen, beim Essen und zum Ausklang des Abends lebhaft. Und doch gab es eine Zäsur, die viele wehmütig werden ließ.

"Eigenständig und eigenwillig, kompetent und leidenschatlich engagiert"

Das war zu spüren beim großen, vom Frauen-Streichquartett „Manon & Co“ umrahmten Abschiedsabend für Klaus Barwig, der die Hohenheimer Tage zu Beginn der achtziger Jahre ins Leben gerufen und bis heute konzipiert und geleitet hat. Nun geht er in den Ruhestand. Dass er sich in vielen einschlägigen Expertenkreisen im Lauf der Jahre einen Ruf als sachkundiger Kenner und Vermittler erworben hat, belegten nicht nur eine Videobotschaft von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) und „herzliche Grüße“ des in Koalitionsverhandlungen feststeckenden Ministers Peter Altmaier (CDU) aus Berlin - beide hochrangige Politiker sind regelmäßige Gäste in Hohenheim. Auch die Liste der elf gesetzten Rede-Beiträge war eindrucksvoll: Bischof Dr. Gebhard Fürst etwa war gekommen, mit dem Barwig einst in Tübingen Theologie studierte, um auch Priester zu werden. Als er während des Studiums seine spätere Frau kennenlernte, überlegte er es sich aber noch mal anders. Barwigs Frau saß beim Abschied ebenso wie drei seiner vier Kinder im Publikum. Fürst würdigte den scheidenden Fachbereichsleiter als „eigenständig und eigenwillig, hoch kompetent und leidenschaftlich engagiert“, dem er eine Horizonterweiterung auch dadurch verdanke, dass er schon 1999 als damaliger Akademiedirektor eine Fotovoltaik-Anlage aufs Dach der Akademie installieren ließ und nach seiner Ernennung zum Bischof 2001 eine weitere Anlage aufs Dach des Bischofshauses pflanzte.

Die Akademiedirektorin Dr. Verena Wodtke-Werner würdigte Barwig, er sei Motor gewesen in Deutschland auf dem schwierigen Feld der Migration. Während seiner zehnjährigen Mitgliedschaft in der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz war er maßgeblich an der Entstehung des Grundsatzpapiers zu Fragen der Integration von Migranten in Kirche und Gesellschaft beteiligt.


Prof. Dr. Walter Lesch von der Université catholique de Louvain lobte die „fast 30-jährige Zusammenarbeit mit einem tollen Menschen“. Er habe nicht nur Akademie und Universitäten verzahnt, sondern auch immer den Kontakt zur Zivilgesellschaft und der europäischen Ebene gehalten. „Auf christlicher Grundlage hat er für eine gerechtere Einwanderungspolitik gekämpft“, sagte Lesch. Prof. Dr. Hansjörg Schmid von der Universität Fribourg, der zuvor selbst Fachbereichsleiter an der Akademie gewesen ist, erinnerte daran, dass Barwig einer der ersten gewesen sei, der sich bereits im Jahre 1982 dem Thema Muslime zuwandte. Im Rahmen seiner Tätigkeit seien zahlreiche Publikationen unter seiner Herausgeberschaft erschienen, die sich etwa auf den Islam auf dem Balkan, den interreligiösen Dialog und den islamischen Religionsunterricht bezogen – mit Erfolg, denn: „Heute sind die Muslime selbst Akteure“. Das Verständnis für die Themen habe sich Barwig durch teils auch abenteuerliche Reisen angeeignet. „Er hat Orte der Not aufgesucht und Hoffnung auf Veränderungsprozesse gemacht“, lobte Schmid.

Bundesverfassungsrichter Maidowski: Barwig ist ein cooler Typ

„Klaus Barwig hat Wege geebnet für Angela Merkels Satz ‚wir schaffen das‘“, sagte Prof. em. Dr. Kees Groenendijk von der Radboud-Universiteit Nijmegen.  „Die Hohenheimer Tage sind einzigartig in Europa und sehr wichtig für eine offene und lebendige Demokratie.“ Der Richter des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Ulrich Maidowski, bekannte, das jährliche Treffen sei immer wieder eine „Anfrage an uns, was der Beruf mit uns macht“. Er lobte in diesem Zusammenhang Barwigs „Loyalität gegenüber unseren demokratischen Institutionen bei gleichzeitig hartnäckiger Distanz, die Offenheit seiner Positionen bei einem klaren Kompass.“ Barwig sei einfach „ein cooler Typ“ befand Maidowski, den man auch weiter dabeihaben wolle, denn „ so einen lässt man nicht laufen“. Folgerichtig machte er ihm gleich zwei Terminvorschläge als Einladung für einen Besuch im Verfassungsgericht.

Eine Festschrift und standing ovations zum Abschied

„Er ist ein Menschenfischer und Geschichtenerzähler“, resümierte Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein von der Goethe-Universität in Frankfurt. Er habe damit eine Community geschaffen und biete Studierenden mit den von ihm ins Leben gerufenen Weingartener Seminarwochen „einen Crashkurs im Ausländerrecht“. Daraus entstanden war vor genau zehn Jahren das Netzwerk Migrationsrecht, ein Zusammenschluss von inzwischen mehr als 180 jungen Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland, die sich seitdem zu ihrer jährlichen großen Herbsttagung in Stuttgart-Hohenheim treffen. Auch der emeritierte Konstanzer Verfassungsrechtler Prof. Dr. Kay Hailbronner fand nur lobende Worte für Klaus Barwig, obwohl er inhaltlich häufig eher den Konter-Part gespielt habe. „Er hat sich von ethischen Alleinvertretungsansprüchen gelöst und mich mit seiner aus meiner Wahrnehmung fast protestantischem Grundhaltung zum Nachdenken gebracht“, bekannte er.


Eine Festschrift – und damit ein ganz besonderes Dankeschön für Klaus Barwig übergaben Prof. Dr. Constanze Janda von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer und der Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Dr. Stephan Beichel-Benedetti. Vor zwei Jahren schon sei das beschlossen und ins Werk gesetzt worden, erläuterten sie, um damit einen Menschen zu ehren, „der immer von großer Zuneigung zu den Menschen geprägt ist. Wir sind hier groß geworden und geprägt worden“  bekannten sie und bewegten damit die Festgäste zu stehenden Ovationen für den sehr gerührten Klaus Barwig. (Barbara Thurner-Fromm)

Professorin Dr. Constanze Janda und der Richter Dr. Stephan Beichel-Benedetti überaschten Klaus Barwig (Mitte) mit einer Festschrift.

Große Anerkennung für Klaus Barwig: Die Festgäste applaudieren im Stehen.

Dr. Konstanze Jüngling, die Nachfolgerin von Klaus Barwig als Fachbereichsleiterin, führte durch den Abend.

Auch der Bundesverfassungsrichter Dr. Ulrich Maidowski und Bischof Dr. Gebhard Fürst waren beim Abschiedsfest.