Würde macht schön

Die rumänische Fotografin Mihaela Noroc ist durch die Welt gereist, hat Frauen fotografiert und mit ihnen gesprochen. Entstanden ist ein berührender „Atlas of Beauty". Ihre Bilder sind nun zu sehen.

Zwei Milliarden Euro setzt die Schönheitsmedizin im Jahr um; 21,7 Millionen chirurgische Eingriffe werden jährlich unternommen, um vermeintliche Makel am menschlichen Körper auszumerzen. Besonders der Druck auf Frauen, gängigen Vorstellungen von Schönheit zu entsprechen, werde immer größer. Dies sagte Katharina Mouratidi, die künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin von „f³ – Freiraum für Fotografie“ Berlin, die am Montag, 17. September, im Tagungszentrum Hohenheim in eine Foto-Ausstellung von Mihaela Noroc einführte, die den Titel trägt: „The Atlas of Beauty – Frauen der Welt“.

Die Frauen zeigen ihre Persönlichkeit – das nimmt gefangen

Auch bei den Fotografien der rumänischen Fotografin Mihaela Noroc geht es um Schönheit. Aber es geht nicht um die Schönheit von People-Magazinen, nicht um Normen der Modemacher, nicht um körperliche Makellosigkeit von Models. Sondern es geht um Frauen aus der ganzen Welt: junge und alte, dicke und dünne, Frauen unterschiedlichster kultureller Herkunft und sozialer Schicht, in traditioneller Kleidung oder mit hippen Tattoos, selbstbewusst posierend oder eher schüchtern in die Kamera blickend.

Das Frappierende an den durchgehend farbig fotografierten Bildern: Die Frauen schauen direkt in die Kamera und nehmen so ihre zumeist weiblichen Betrachter in den Blick. Und sie nehmen einen mit ihrer Schönheit gefangen. Sei es die portugiesische Fischverkäuferin, seien es die beiden russischen Kunsthandwerkerinnen, die Großmutter und Enkelin sind, sei es die mongolische Bäuerin, die ein Yak melkt, seien es die coolen mexikanischen Feuerwehrfrauen, sei es die afghanische Feldarbeiterin oder die guatemaltekische Gemüseverkäuferin. Persönlichkeit, Souveränität, Authentizität – all das zeigen diese Frauen, jede auf ihre ganz eigene Art. Es ist eine berührende Schönheit, die von innen kommt und die auch durch Narben – wie bei einer jungen iranischen Frau, die Opfer eines Säureattentats geworden ist – nicht durch Gewalt genommen werden kann.

Die junge Fotografin Mihaela Noroc hat vor wenigen Wochen ein Baby bekommen und konnte deshalb nicht nach Hohenheim kommen; aber sie ist bei der Vernissage per Skype zugeschaltet. Katharina Mouratidi interviewt sie und auch die Vernissage-Gäste können sie befragen. Noroc erzählt lebhaft, wie sie eher zufällig in das Projekt hinein gestolpert ist. Als Tochter eines Bukarester Malers ist sie zwar mit Bildern und Farben groß geworden. Doch ihre erste gebrauchte Kamera, die sie mit 16 Jahren bekam und ein Fotografie-Studium an der Universität entmutigten sie eher; schüchtern und wenig erfolgreich wandte sie sich anderen Tätigkeiten zu.

Mehr als eine Million Follower in den sozialen Netzwerken

Erst eine Reise 2013 nach Äthiopien änderte alles. Die junge Rumänin war fasziniert von den Frauen, die sie dort sah, von ihrer Würde, Kraft und Schönheit. Sie waren die Initialzündung für ihr „kleines, persönliches Projekt“, wie die Rucksacktouristin es nennt. Fünf Jahre und viele Reisen später, die sie durch den Erlös ihres Buches und den Verkauf ihrer Fotos finanziert, ist für die heute 33-Jährige daraus ein erdumspannendes Projekt geworden, das mittlerweile mehr als eine Million Follower in den sozialen Medien gespannt mitverfolgen. Der Katalog mit Norocs Bildern ist inzwischen international auf dem Markt, nächstes Jahr kommt die chinesische Ausgabe dazu.

Mihaela Noroc hat die Frauen nicht nur fotografiert. Sie hat sich, so gut es ging, mit ihnen auch unterhalten und erzählt davon in kurzen Sentenzen. Etwa das Schicksal einer jungen Belgierin, die nur mit einem Bein geboren wurde und wohl deshalb von ihrer Mutter zur Adoption freigegeben wurde. Sie habe eine schöne Kindheit gehabt, berichtete die Frau, die ihre Prothese so selbstbewusst trägt wie High Heels und dass sie ihre Mutter suche, um ihr zu sagen, dass  sie ihr nicht böse sei. Die Fotografin schildert auch die Geschichte von Ala, die Mitglied bei „She fighter“ ist, der ersten Selbstverteidigungsschule Jordaniens, um sich gegen häusliche und öffentliche Gewalt zu wappnen. Sobald es für die junge Mutter wieder möglich ist, will sie ihre Reisen und ihr Projekt fortsetzen, den Fokus  dann aber - aus eigener Betroffenheit – vielleicht stärker auf Mütter legen.

Passend zum Vernissage-Thema hat auch Chioma Lisa Rabiej ihr Repertoire ausgewählt. Die afrikanisch-stämmige Sängerin – begleitet am Flügel von Helmut May – intoniert  unter anderem mit ihrer kraftvollen und ausdrucksstarken, schönen Stimme Aretha Franklins Song „You make me feel like a natuaral women".

Info: Die Ausstellung ist bis 20. Januar 2019 im Tagungszentrum Hohenheim zu sehen, werktags von 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags auf Anfrage.

Barbara Thurner-Fromm

Alle Frauen auf den Fotos schauen einen direkt an.

Mihaela Noroc wurde zur Vernissage über das Internet zugeschaltet.

Katharina Mouratidi, die künstlerische Leiterin von f³ – Freiraum für Fotografie, führte das Internet-Interview mit der Künstlerin.

Die Sängerin Chioma Lisa Rabiej umrahmte mit ihrer kraftvoll-schönen Stimme die Vernissage.

Dr. Ilonka Czerny, die Leiterin des Fachbereichs Kunst an der Akademie, führte durch den Abend.

Küchenchef Heimo Nebel verwöhnte die Gäste der Vernissage mit rumänischen Spezialitäten – passend zum Heimatland der Fotokünstlerin.