Helfende Geister oder Gefäße des Teufels?

Zwischen Hexen und Tieren besteht eine vielfältige Beziehung. Bei einer internationalen Konferenz hat sich der wissenschaftliche Arbeitskreis für interdisziplinäre Hexenforschung damit beschäftigt.

Wenn der Teufel in Gestalt einer schwarzen Katze die Weltbühne betritt, Drachen ihrem Herrn und Meister zu Reichtum verhelfen, Hexen sich in Haus- und Hoftiere verwandeln oder Schamanen im Alter-Ego eines Panthers auftreten, dann kann man sich sicher sein, dass hier in einem gewissen Maße Magie im Spiel sein muss. Bereits seit den 1990er Jahren etablierten sich die Human-Animal Studies als Strömung im wissenschaftlichen Diskurs. Ist es nun auch an der Zeit für einen „Animal Turn“ in der Hexenforschung?

46 Forscherinnen und Forscher, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sowie Interessierte trafen sich vom 25. bis 28. September im Tagungshaus der Akademie in Weingarten, um die Vielschichtigkeit des Themenfeldes „Tiere und Hexen“ zu erkunden. Denn bereits die biblische Überlieferung kennt das Motiv der durch Dämonen besessenen Schweine (Mk 5,11-13; Mt 8,30-32), wie Ismael del Olmo aufzeigen konnte. Über die Jahrhunderte wurde dieses ebenso rezipiert wie das der verführerischen Schlange aus Gen 3,1-5. In der Folge geriet nicht nur das Reptil in Verruf, dem Dämonischen zu dienen, sogar dem Teufel selbst schrieb man zu, in Tiergestalt auf Erden wandeln zu können. Dies legte unter anderem Erika Münster-Schröer dar, die sich auf Johann Weyers Schrift „De Praestigiis daemonum“ (1563) bezog. Auch Maria Østerby Elleby verwies darauf, dass rund 100 Jahre später im letzten Hexenprozess Dänemarks festgehalten wurde, der Teufel, gekleidet in das Gewand einer schwarzen Hauskatze, habe die angeklagte Anne Palles verführt und ihr zu Wohlstand verholfen.

Männer mit Salben aus Kröten eingeschmiert

Doch nicht nur dem Höllenfürst sprach man die Fähigkeit zu, die Gestalt einer Vielzahl von Tieren annehmen zu können, sondern auch den Hexen selbst, wie Beiträge von Fabrizio Conti und Lizanne Henderson verdeutlichten. Demnach findet sich beispielsweise in der schottischen Folklore die Überzeugung, Hexen würden als Gestaltwandler und Gestaltwandlerinnen die Form eines Hasen annehmen können. Über einen spannenden, bislang in der Forschung unbekannten Fall im spanischen Navarra aus dem Jahr 1370 berichtete erstmalig Ander Berrojalbiz. Hier habe der beschuldigte Hexer, Condesse de Behythie, gestanden, aus Kröten eine Salbe entwickelt zu haben, welche es ihm und weiteren Männern erlaubte, in der Gestalt einer Katze oder eines Hundes am Hexen-Sabbat teilzunehmen.

Ein weiteres, magisch anmutendes und bis heute in der Filmwelt breit rezipiertes Motiv, nämlich das der Werwolf-Gestaltwandler wurde im Kontext der Mensch-Tier-Verwandlungen selbstverständlich nicht außer Acht gelassen. Aleks Pluskowsky und Willem de Blécourt sprachen über die Ursprünge des Narrativs des wölfischen Mensch-Tier-Wesens. In einem militärischen Kontext seit dem 3. Jahrhundert in Skandinavien entstanden, habe sich die Vorstellung durch die Raubzüge der Wikinger später in großen Teilen Europas verbreitet.

Schlangenfee und Schwanenjungfrau

Neben diesen fanden auch weitere Gestaltwandlungen Eingang in die mittelalterliche Erzählliteratur, ob nun als Schlangenfee oder Schwanenjungfrau. Zudem seien Verwandlungsmotive der antiken Literatur wie Ovids ,Metamorphosen‘ rezipiert und in verschiedenen Genres verarbeitet worden, wie Stephanie Mühlenfeld, Christa Tuczay und Frank Fürbeth unter anderem aufzeigen konnten. Aber auch exotische Papageien, die bei einem Hexenmeister in die Lehre gehen und ihre Intrigen spinnen, kennt die höfische Literatur.

Vampire könnten sich im Übrigen nicht in Fledermäuse verwandeln, stellte Peter Kreuter heraus – dies sei eine Erfindung der modernen Literatur. Dennoch gelte es, sich in Acht zu nehmen, wenn nachts die Tiere des Hofes unruhig werden. Davor würden zumindest die rumänischen Volkssagen warnen, schließlich könnte ein Blutsauger sein Unwesen treiben.

Doch nicht nur das magische Verwandeln in ein Tierwesen wurde weithin als gegeben angenommen, sondern auch die Existenz eines tierischen Alter-Egos einer Hexe, welches als Schutzgeist agierte. Das konnte Éva Pócs am Beispiel des ungarischen Hexenglaubens plausibel machen. Den Glauben an ein Alter-Ego findet man über das frühneuzeitliche Europa hinaus auch bei indigenen Völkern Lateinamerikas. Iris Gareis entführte die Tagungsteilnehmenden in die Mythologien über den Nagual, einen persönlichen Schutzgeist, welcher ebenfalls in tierischer Gestalt auftreten konnte und eng mit dem jeweiligen Menschen verbunden war. Später, im Zuge der Kolonialisierung, sei dieser Begriff schließlich auch auf vermeintliche Hexen mit der Fähigkeit zur Tierverwandlung ausgeweitet worden.

Geschichten von diebischen Hausgeistern

Damit endet die Verbindung zwischen Tieren und dem Magischen jedoch keinesfalls. Insbesondere Kröten und Fledermäuse standen im Verdacht, Begleiter einer Hexe zu sein oder als bedeutsame Zutat eines Zaubertrankes zu dienen, was Maryse Simon, Rochelle Rojas und María Tausiet unter anderem betonten. Erstaunliche Funde von Katzenmumien, welche Petra Schad dokumentierte, weisen des Weiteren darauf hin, dass ihnen magische Fähigkeiten zugesprochen wurden – wenn auch als Schutz – statt als Schadenszauber.

Nützlich für ihre Besitzer konnten Tiere zudem werden, wenn sich hinter ihnen eigentlich ein Hausgeist versteckte. Pamphlete englischer Hexenprozesse kennen sie als Wesen, welche die Menschen zu einem dämonischen Pakt verführten, so James Sharpe. Auch in der schwedischen Folklore finden sie sich, stehlen laut Tommy Kuusela hier vor allem Milch und Butter für ihren Meister.

Das Narrativ eines magischen Wesens, welches seinem Besitzer durch den Diebstahl von Lebensmitteln und Wertgegenständen zu Reichtum verhilft, kennen auch die Sagen des östlichen Deutschlands und des Baltikums. Johannes Dillinger sprach in seinem Abendvortrag über diese sogenannten „Drachen“, welche nicht nur als Handelsobjekt oder Hausgeist galten, sondern auch für die frühneuzeitliche Naturwissenschaft von großem Interesse waren. Jene erklärte vermeintliche Drachensichtungen zu einem Wetterphänomen oder einer astronomischen Erscheinung. Dillinger verdeutlichte, dass das Narrativ des Drachens nicht selten verbunden war mit einer Sozialkritik am ökonomischen Fehlverhalten seines Besitzers.  

Das Verbrechen des Diebstahls durch ein magisches Wesen war dabei keinesfalls das einzige, das die frühneuzeitliche Gesellschaft beschäftigte. In einem zweiten Abendvortrag warf Rita Voltmer ein Licht auf das Tier als Objekt, Opfer oder handelnder Akteur in europäischen Strafprozessen. Sie hob hervor, dass – entgegen einer weitläufigen Forschungsmeinung – personifizierte Tiere keinesfalls als Täter vor Gericht angeklagt wurden. Stattdessen habe eine Animalisierung und mithin die Entmenschlichung dem drastischen Ausgrenzungsprozess von Ketzern, konfessionellen Gegnern, Devianten und Randgruppen der Gesellschaft gedient.

Tiere und Hexen – das zeigte sich bei der erfolgreiche Tagung des AKIH – gehören also unmittelbar zusammen. Ein Animal Turn in der Hexenfoschung? Der ist, wie die Beiträge der Referentinnen und Referenten zeigen konnten, nicht nur notwendig, sondern bereits in vollem Gange.

(Linda Huber)

Iris Gareis, Wolfgang Behringer und Rita Voltmer bei einer Dikussionsrunde

Petra Steymans-Kurz, Willem de Blécourt, Iris Gareis, Rita Voltmer und Wolfgang Behringer leiteten die Tagung.

In Weingarten trafen sich WissenschaftlerInnen aus Europa und Amerika zum Austausch.

Das Tagungspublikum verfolgte interessiert einen Vortrag.