Verleihung des Aleksandr-Men-Preises im Jahr 2002
Anatoli Pristawkin
Grußwort
Boris N. Chlebnikow
Gesetz des Mitleids
Mitleid ist das oberste
und vielleicht das einzige Gesetz
des Daseins für die ganze Menschheit
Dostojewski, "Der Idiot"
Laut Statut des internationalen Alexandr-Men-Preises wird dieser Preis für einen hervorragenden Beitrag zur interkulturellen Vermittlung zwischen Russland und Deutschland im Interesse des friedlichen und humanen Aufbaus des Europäischen Hauses vergeben.
Die Idee dieses Preises geht auf den Kerngedanken des Vaters Aleksandr Men in seiner Rede bei einem internationalen Treffen der Kulturschaffenden in Weingarten, welches am 8. Mai 1990 stattgefunden hat. Das Wort Globalisierung war damals noch nicht in aller Munde, die EU-Erweiterung durch den Beitritt der ehemaligen Staaten des Ostblocks oder gar der baltischen Republiken der damaligen Sowjetunion schien noch eine kaum reale Perspektive zu sein. Vater Aleksandr Men sprach also über eine neue Ökumene und eine besonders große Verantwortung der Kulturschaffenden, die sie für die Entstehung dieser neuen Ökumene zu tragen haben.
Die Verantwortung der Kulturschaffenden. Es lohnt sich tatsächlich darüber nachzudenken, ob die Fähigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen, nicht die wichtigste Voraussetzung für eine sich vertiefende Völkerverständigung ist. Ich meine die Verantwortung nicht nur für sich persönlich, sondern auch für andere.
Allerdings glaube ich, dass die Fähigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, eine Energiequelle braucht. Mitleid und Mitgefühl werden zu solch einer Quelle.
Eben vom Mitleid werden das schriftstellerische Werk und die gesellschaftliche Aktivität von Anatolij Pristawkin dominiert, der heute mit dem Aleksandr-Men-Preis geehrt wird. Eben deshalb sind sein Werk und seine gesellschaftliche Tätigkeit so stark miteinander verbunden, wovon seine unlängst erschienene Trilogie "Im finsteren Tal des Todes" ein beredtes Zeugnis ablegt, denn in dieser Trilogie berichtet Anatolij Pristawkin über seine schwierige zehnjährige Erfahrungen als Vorsitzender der Begnadigungskommission in Russland.
Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, aber große Teile dieser Trilogie wurden hier in Deutschland geschrieben. Auch das Buch vom russischen Schriftsteller Daniil Granin wurde in Deutschland, nämlich in Weingarten geschrieben, also dort, wo er sich mit Aleksandr Men getroffen und wo Vater Men ausgerechnet am 8. Mai, am 45. Jahrestag der Beendigung des Krieges gehalten hat.
In den nächsten Monaten und Jahren kommen mehrere schwierige Jubiläen auf uns zu, 60 Jahre der Leningrader Blockade, 60 Jahre Stalingrad, die Schlacht um Berlin, Flucht und Vertreibungen. Unsere Völker haben übereinander viel Leid gebracht. Aber sie waren auch fähig, leuchtende menschliche Beispiele des Mitleids zu zeigen.
Zurückkehrend zum Thema einer besonderen Verantwortung der Kulturschaffenden bei der interkulturellen Vermittlung möchte ich im Namen meiner Kollegen und Freunde unsere tiefste Anerkennung und größte Hochachtung adressiert an den diesjährigen Träger des Aleksandr-Men-Preises dafür aussprechen, dass er uns stets an die Voraussetzung und Grundlage der Völkerverständigung, ja jeder echten menschlichen Verständigung - an das Gesetz des Mitleids.
Es gilt das gesprochene Wort!
Programm
Begrüßung
Dr. Abraham P. Kustermann,
Akademiedirektor
Grußwort
Dr. Johannes Kreidler,
Weihbischof, Diözese Rottenburg-Stuttgart
Grußwort
Dr. Ekateria U. Genieva,
Generaldirektorin der Allrussischen Bibliothek für Ausländische Literatur, Moskau
Grußwort
Boris Chlebnikow,
Vizepräsident der Europäischen Akademie für Zivilgesellschaft, Moskau
Laudatio
Thomas Reschke,
Literatur-Übersetzer, Berlin (Übersetzer von A. I. Pristawkin)
Preisverleihung
Hermann Fünfgeld,
Stv. Vorsitzender des Kuratoriums der Akademie der Dözese Rottenburg-Stuttgart
Dankesworte
Anatoli I. Pristawkin
Bericht aus der Stuttgarter Zeitung
Bericht aus den Stuttgarter Nachrichten
Über Anatoli Pristawkin:
Lebenslauf Pristawkins
Preise und Auszeichnungen
Bibliografie
Weitere Informationen zu Anatoli I. Pristawkin auf Wikipedia
Über Thomas Reschke:
Lebenslauf Reschkes
Auszeichnungen
Wichtigste Übersetzungen