Verleihung des Aleksandr-Men-Preises im Jahr 2001

Dr. Otto Graf Lambsdorff

Aus der Dankesrede

[...] In dieser Perspektive möchte ich zunächst denen danken, die mich für würdig halten, in diesem Jahre den Aleksandr-Men-Preis zu bekommen. In erster Linie also Ihnen, verehrte Katerina Jurjewna und Ihnen, sehr geehrter Herr Kustermann, der Sie hier die Diözese Rottenburg mit ihrem Bischof Fürst vertreten. Sie liebe Frau Genieva, sind eine Institution im kulturellen wie auch im politischen Leben Russlands. Und Sie tun sehr viel für die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Umso mehr weiß ich es zu schätzen, wenn Sie mir heute den Preis verleihen, den maßgeblich Sie gestiftet haben. Bischof Fürst bildet sozusagen den deutschen Gegenpart. Er hat es sich – neben vielem anderem – in seiner Diözese und darüber hinaus zur Aufgabe gemacht, Aleksandr Men und sein Wirken bekannt zu machen. Dafür sind wir ihm dankbar.

Danken möchte ich auch denen, die hier so gute Worte für mich gefunden haben: Evgenij Jassin und Dirk Sager. Liebe Frau Genieva, der Preis, den Sie mir heute verleihen, ist dem Andenken an Aleksandr Men gewidmet, den 1990 ermordeten russischen Erzpriester. Über ihn wissen wir in Deutschland immer noch sehr wenig.

Dies wird wahrscheinlich erst dann anders werden, wenn seine Bücher ins Deutsche übersetzt sind und hier Aufnahme und Verbreitung gefunden haben.

In jedem Fall sollten wir in Deutschland, in Europa mehr über Aleksandr Men wissen. Über das, was er als Theologe und überzeugter Förderer der Ökumene gelehrt hat, was er für die Russisch-Orthodoxe Kirche bedeutet hat und was er uns sein kann.

Aber ich denke, auch in Russland weiß man viel zu wenig über Aleksandr Men und sein Wirken. Wenn wir heute an ihn erinnern, so geschieht das auch mit Blick auf Russland: Ich finde, dass die russische Gesellschaft, dass auch die russisch-orthodoxe Kirche, dass wir alle Menschen wie Aleksandr Men dringend brauchen. Er hat Toleranz nicht nur gepredigt, er hat Toleranz gelebt.

Vielleicht erinnern wir heute bei der Verleihung des Preises, der seinen Namen trägt, am besten an ihn, wenn wir einen Satz zitieren, der immer wieder angeführt wird, wenn von Aleksandr Men die Rede ist.

Es ist ein schlichter, ein einfacher Satz. Und doch enthält er eine Wahrheit, die immer gilt:

„Das Eigene lieben“, so Aleksandr Men, „heißt nicht, das Fremde zu hassen. Wo immer sich der Chauvinismus breit macht – ganz gleich im welchem Volk – stimmt uns das traurig.“

Man mag an diesem Satz ermessen, wie sehr uns heute eine Stimme fehlt, wie sie Aleksandr Men war. Und zwar auch und gerade mit Blick auf den Dialog mit dem Islam, den wir so dringend führen müssen.

Aleksandr Men jedenfalls hat den Islam, hat generell Angehörige anderer Religionen nie als Feind begriffen. Er war gegenüber anderen Glaubensrichtungen, christlichen wie nichtchristlichen, offen. Er liebte es, ein Wort von Bischof Platon zu zitieren, dem 1891 gestorbenen ruthenischen Metropoliten von Kiev: „Unsere irdischen Trennwände reichen nicht bis zum Himmel.“

Es wäre gut, wenn dieser Satz hier in Russland wie in der Welt überhaupt zum Allgemeingut würde. [...]


Es gilt das gesprochene Wort!

Programm

Begrüßung
Aleksandr Sacharow,
Generaldirektor der Moskauer Devisenbörse


Begrüßung
Ekaterina U. Geniewa,
Generaldirektorin der Allrussischen Staatlichen Bibliothek für Ausländische Literatur


Begrüßung
Abraham Peter Kustermann,
Direktor der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart


Begrüßung
Michail Men,
Vizegouverneur des Distrikts Moskau

 

Rede
Ernst-Jörg von Studnitz,
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland


Rede
Ewgenij Jasin,
Wissenschaftlicher Leiter der Hochschule für Wirtschaft

 

Laudatio
Dirk Sager,
Leiter des Moskauer Büros des ZDF


Preisverleihung
Ekaterina U. Geniewa


Dankerede
Otto Graf Lambsdorff,
Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung


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