Verleihung des Aleksandr-Men-Preises im Jahr 1997
Prof. Dr. Wolfgang Kasack
Grußwort
Ministerpräsident Erwin Teufel

© Frank Eppler
1. Aleksandr-Men-Preis
Der Aleksandr-Men-Preis wird 1997 zum dritten Male verliehen. Nach der Gründerin und langjährigen Leiterin des Goethe-Institutes Moskau, Frau Dr. Kathinka Dittrich von Wehring und dem unlängst verstorbenen Schriftsteller Prof. Dr. Lew Kopelew ist es in diesem Jahr Herr Prof. Dr. Wolfgang Kasack, vormals Professor für Slavische Philologie an der Universität Köln.
Mit dem Aleksandr-Men-Preis ehren Menschen und namhafte Institutionen aus Deutschland und Russland das Gedächtnis an einen großen Literaten, Friedens- und Freiheitskämpfer, Verfolgten und zugleich mutigen und beseelten Künder des Wortes Gottes. Kenner seiner Biographie und seines Werkes haben ihn als spirituelles Pendant zu Andrej Sacharow bezeichnet.
Mit der Erinnerung an Aleksandr Men würdigen wir zugleich das segensreiche Wirken der Kirche in den Jahren der antiklerikalen Bedrängnis. Im totalitären Staat der atheistischen Sowjetunion war die Kirche Aleksandr Mens die spirituelle Hoffnung.
Das Leben Aleksandr Mens, der 1990 im Alter von 55 Jahren aus dem Hinterhalt erschossen wurde, beweist die Kraft dieser Kirche. Als Aleksandr Men 1958 von der Universität Ikutsk verwiesen wurde, weil er freiwillig als Heizer bei der Diözesanverwaltung gearbeitet hatte, war dies der Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit, die in dem in Zeiten der Perestroika sehr populären Buch über Jesus, "der Menschensohn" seinen tiefsten Ausdruck gefunden hat.
Aleksandr Men war "einer, dessen Licht die Welt erleuchtet und dessen gute Werke den Vater im Himmel preisen" (Matthäus 5, 14, 16).
Zugleich werden mit dem Aleksandr-Men-Preis Männer und Frauen, die diesem Erbe verpflichtet sind, geehrt.
"Der Preis wird an eine Person verliehen, die sich um die interkulturelle Vermittlung zwischen Russland und Deutschland im Interesse des friedlichen und humanen Aufbaus des Europäischen Hauses verdient gemacht hat" - so die Zielsetzung dieses Preises.
Allen Verantwortlichen, besonders dem Vorsitzenden des Preiskomitees und seinem Sekretär, Herrn Dr. Gebhard Fürst, Direktor der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, spreche ich meine hohe Anerkennung und meinen Respekt für ihr Tun aus.
Zu Preis und Preisträger werden wir aus berufenem Munde noch hören. Ich möchte mich auf die bilateralen Bemühungen konzentrieren.
2. Deutsch-russische Beziehungen
Die deutsch-russischen Beziehungen sehen auf eine über 1000-jährige Tradition zurück. Es ist ein Ereignis, das gerade in diesem Rahmen der Erwähnung bedarf: Um das Jahr 960 hat die Kiewer Fürstin Olga dem deutschen König Otto I. um christliche Missionare gebeten.
Die besondere Art der Beziehungen werden bis heute aufrecht erhalten. Die freundschaftlichen Bande zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem russischen Präsidenten sind ein politischer Faktor vor der Weltpolitik, der nicht nur in dem G-8-Treffen in Denver zum Ausdruck kommt.
3. Baden-württembergisch - russische Beziehungen
Auch die Beziehungen unseres Landes Baden-Württemberg nach Russland sind von besonderer Qualität. Sie haben Höhen und Tiefen erlebt.
Zu den Tiefpunkten zählen zweifellos die Entsendung von knapp 8.000 badischen und knapp 16.000 württembergischen Soldaten, die in der Grande Armee Napoleons am Russlandfeldzug teilgenommen haben und von denen nicht einmal 1500 wieder zurückgekehrt sind.
Es ist auch an die Auswanderung von badischen und württembergischen Bauern zu erinnern, die in den Jahren zwischen 1816 und 1820 die schiere Not ihrer schwäbischen Heimat hinter sich lassen wollten und in Russland neu angefangen haben. In diesen nur vier Jahren sind mehr als 20.000 Menschen allein aus Württemberg nach Russland ausgewandert.
Ich möchte allerdings auch an die Höhepunkte erinnern. Einer davon thront auf dem Berg, der diesem Landesteil seinen Namen gegeben hat: Auf dem Württemberg hat König Wilhelm zu Ehren seiner verstorbenen Gemahlin Königin Katharina Pavlovna eine Grabkapelle errichtet.
Dass der russischen Großfürstin Vera Konstantinova, der Frau von Herzog Eugen von Württemberg die Russische Kirche in Stuttgart zu verdanken ist, und der Prinzessin Maria Maximilianova, Frau von Prinz Wilhelm von Baden die Russische Kirche in Baden-Baden sei nur am Rande erwähnt.
Als einen weiteren Höhepunkt empfinde ich auch die tiefe und lebenslange Beziehung zwischen Friedrich Schiller und Graf Nikolai Scheremetev, einem Spielgefährten von Zar Paul. Scheremetev besuchte mit Schiller die Hohe Karlsschule in Stuttgart in den Jahren 1772 und 73. Er sorgte dafür, dass die Dramen seines einstigen Mitschülers in Russland aufgeführt wurden, zunächst auf seinen Privatbühnen, später als Direktor aller kaiserlichen Theater in Russland auch landesweit.
Wenn Sie bei Ihrer Rückkehr nach Moskau auf dem Internationalen Flughafen Scheremetevo landen, erinnert dieser Name an eine Brücke zwischen Stuttgart und Moskau.
Viele andere Namen könnte man noch erwähnen:
- die Zarin Elisabeth, Frau von Zar Alexander, aus dem Hause Baden,
- die Großfürstinnen Maria Feodorovna und Helena Pavlovna, beides Prinzessinnen aus dem Hause Württemberg, und die Großfürstin Olga, Frau von Großfürst Michael, aus dem Hause Baden,
- die Wissenschaftler und Gelehrten Georg Bernhard Bilfinger aus Tübingen (1693-1755 Professor für Moral und Mathematik in St. Petersburg (1725), den Sibirienforscher Georg Gmelin (1709-55) und seinen Neffen Gottlieb Gmelin (1743-74), der wichtige Expeditionen in den russischen Orient unternommen hat,
- die schier unendliche Reihe der großen russischen Namen in Baden-Baden, vom Hochadel (Menschikow, Gagarin, Chreptowitsch, Gortschakow) bis zu den Dichtern Gogol, Tolstoi, Turgenjew und Dostojewski, aber auch Tschechow, der in Badenweiler gestorben ist,
- der große russische Schriftsteller, Philosoph und Publizist Alexander Herzen, dessen Mutter aus Stuttgart stammt und noch viele andere.
Deshalb empfinde ich die jährliche Preisverleihung des Aleksandr-Men-Preises in Stuttgart als Glied in einer undurchbrochenen Kette zwischen Baden-Württemberg und Russland.
Es gilt das gesprochene Wort!
Programm
Grußwort
Erwin Teufel,
Ministerpräsident
Grußwort
Bischof Dr. Walter Kasper,
Rottenburg-Stuttgart
Grußwort
Dr. Ekateria U. Genieva,
Moskau
Grußwort
Dr. Gregorü Tchartischvili,
Moskau
Laudatio
Dr. Friedrich Ruth,
Botschafter a.D., Bann
Preisverleihung
Prof. Dr. Günter Bien,
Stuttgart
Dankesworte
Wolfgang Kasack
Artikel Katholische Nachrichten-Agentur
Urkunde von Prof. Dr. Wolfgang Kasack
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