Verleihung des Aleksandr-Men-Preises im Jahr 2003

Dr. Alexander Steininger

Über das Werk des Preisträgers

Die Zeitschrift, in und mit der das Lebenswerk Steiningers umrissen ist, stellt sich heute selbst so vor: OSTEUROPA analysiert interdisziplinär die aktuellen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur in Osteuropa, Ostmitteleuropa und Südosteuropa. Die Zeitschrift behandelt gesamteuropä- ische Themen und ist Forum des OstWest-Dialogs.
Mit „seiner“ Zeitschrift immer und unter allen Umständen ein Forum des OstWest-Dialogs vorgehalten zu haben – darin liegt das unbestreitbare und unersetzliche Verdienst Steiningers. Dies gilt gesteigert in der Rückschau auf die Zeit des „Kalten Kriegs“, in welcher der Gedanke des Dialogs ein weithin belächelter Fremdling war. Steininger charakterisiert dieses Bemühen in seinem Abschiedswort von der Zeitschrift – zutreffender als es eine andere Feder könnte – so:
„Aus der gewiss sehr kritischen Haltung gegenüber dem kommunistischen System und aus dem freiheitlich demokratischen Konsens heraus erwuchs der intensive Wunsch, die politischen, ideologischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse in der damaligen Sowjetunion und in anderen Ländern Osteuropas, die zum so genannten Ostblock gehörten, mit Hilfe unserer Autoren zu erkunden, zu beschreiben und zu analysieren. Es galt, den Versuch zu unternehmen, die verschiedenen geistigen Strömungen, die es ja auch zu jener Zeit gab, aufzuspüren, die theoretischen Grundlagen kritisch zu untersuchen und ihre praktischen Auswirkungen darzustellen und zu erklären. Vor allem die schöngeistige Literatur (…) war für mich persönlich ein Medium, in dem sich verborgene ‚Glaubenskämpfe‘ abspielten. Hier ergab sich oft eine Möglichkeit, unterschwellige Tendenzen zu erkennen. Natürlich war es unser Bestreben (…), auch Einfluss zu nehmen auf das westliche ‚Bild des Ostens‘, das damals nicht selten stark vereinfacht und wenig differenziert war. Wir waren immer bemüht, zu trennen zwischen System und Mensch. Und es schwang bei unseren vielen Gesprächen etwas mit, was heute allzu pathetisch klingen mag – der Wunsch, das freie Wort gegen Gewalt, Unterwerfung und geistige Versklavung einzusetzen.“
Mag manches, was damals geschrieben wurde, heute nur noch aus der damaligen politischen Gesamtsituation unter den Bedingungen von Zensur, Verdacht und Misstrauen zu begreifen sein, war eine grundlegende Änderung der Tendenz jedoch auch nach 1989 weder angesagt noch angezeigt. Vielmehr konnten Steininger und die Zeitschrift unter den nun gewandelten Verhältnissen großen Nutzen im Sinne ihrer Intention ziehen, die immer mit den Begriffen „Aktualität“ und „Interdisziplinarität“ umschrieben war.
Alexander Steininger hat durch seine Herkunft und sein Leben stets die Verpflichtung gespürt, dem Land, das er verlassen musste, die Treue zu halten – dem Land und seinen Menschen, nicht der Politik. Seine Verbundenheit mit Russland bewies er dadurch, dass er trotz anderer, verlockender Möglichkeiten bei der Zeitschrift blieb. Er gestaltete und erweiterte sie. Die Öffentlichkeit, die ihm durch OSTEUROPA gegeben war, nutzte er für sein Engagement im stillen Kampf gegen Diktatur und Lüge, einseitige Berichterstattung sowie gegen Manipulation durch herrschende Regime. So wurde seine Arbeit in vielen Jahren ein vorbildlicher und wirksamer Beitrag auf der Suche nach Wahrheit und auf der Suche nach Wegen der Verständigung zwischen zwei Völkern, denen er gleichermaßen verbunden ist.

Programm

Begrüßung
Ekaterina Genieva,
Generaldirektorin der Bibliothek für ausländische Literatur (M. I. Rudomino)


Begrüßung
Hans-Friedrich von Ploetz,
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russländischen Föderation


Begrüßung
Alexej Slovesnyj, Chefredakteur der „Zeitschrift für Ausländische Literatur“


Grußwort
Abraham Peter Kustermann,
Direktor der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart


Grußwort
Anatoli Pristawkin,
Schriftsteller, Berater des Präsidenten der Russländischen Föderation, Aleksandr-Men-Preisträger 2002


Vorstellung des Preisträgers
Aleksandr Archangelskij,
Stv. Chefredakteur der Zeitung „Iswestija“


Laudatio
Prof. Dr. Rita Süßmuth,
Präsidentin des deutschen Bundestages a. D. (1988–1998), Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.


Preisverleihung
Michail Men,
Stv. Bürgermeister der Stadt Moskau, Beauftragter der Stadtregierung für zwischenregionale Zusammenarbeit und Sport (Sohn von Aleksandr Men)


Preisverleihung
Rev. Georgij Tschistjakow,
Bibliothek für ausländische Literatur


Dank des Preisträgers
Alexander Steininger,
Chefredakteur i.R. der Zeitschrift „OSTEUROPA“ (1975-2002)

Über den Preisträger

Über das Werk von Dr. Steininger